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Förderprogramm "Gewerbe zu Wohnen" : Neuer Glanz in alten Mauern

In Deutschland stehen elf Millionen Quadratmeter Bürofläche leer. Ein millionenschweres Förderprogramm soll helfen, alte Fabriken und Büros zu Wohnungen umzubauen.

06.11.2025
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3 Min

Es war ein Wahrzeichen des westdeutschen Wirtschaftswunders: das Quelle-Versandzentrum in Nürnberg. In den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts gebaut, war das 255.000 Quadratmeter große Gebäude das Herz eines der größten deutschen Versandunternehmen. 2009 kam die Pleite, und seitdem wurde das Areal kaum noch genutzt. 

Es war nach dem Tempelhofer Flughafen in Berlin das zweitgrößte nicht oder wenig genutzte Gebäude in Deutschland. Doch der Glanz kehrt in die alten Mauern zurück: Wo früher Pakete im Sekundentakt ausgeliefert wurden, entsteht jetzt ein Mix aus Wohnungen, Gewerbe, Einzelhandel und Büroflächen.

Leerstand in deutschen Städten hat massiv zugenommen

Leerstehende Fabriken und Bürogebäude sind kein seltener Fall. Nach einem Bericht der Bundesregierung hat der Leerstand von Büroräumen in Deutschland massiv zugenommen. Die Regierung legte am Mittwoch im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen einen Bericht vor, wonach seit dem Tiefstand von rund zwei Prozent im Jahr 2019 die Leerstandsquote 2024 für 127 relevante deutsche Büromärkte auf 5,6 Prozent beziehungsweise elf Millionen Quadratmeter leerstehender Bürofläche angestiegen ist. 2023 betrug diese Quote noch 4,8 Prozent. 

Gründe sind neben dem Homeoffice auch die vor Jahren bereits angestoßenen massiven Investitionen in den Bau von Bürogebäuden, die dann auf den wirtschaftlichen Stillstand trafen. In dem Bericht heißt es dazu, in den sieben größten Städten Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf gebe es deutlich anziehende Leerstände "infolge hoher Fertigstellungen bei moderater Nachfrage".

Foto: picture alliance / ZB/euroluftbi

Wiederbelebung: Das ehemalige Zentrum des Versandhändlers Quelle in Nürnberg soll zu einem Mix aus Wohnungen, Gewerbe, Einzelhandel und Büroflächen werden.

Ein Vertreter der Bundesregierung erläuterte in der Ausschusssitzung, die Regierung wolle Eigentümer dabei unterstützen, ehemalige Bürogebäude zu Wohnraum umzubauen, um Gebäudesubstanz zu erhalten und energetisch aufzuwerten. Dafür soll es das Förderprogramm "Gewerbe zu Wohnen" geben. 360 Millionen Euro seien für 2026 eingeplant.

Das plant die Bundesregierung

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Bei den Fraktionen gab es überwiegend Zustimmung zu den Plänen. So nannte Die Linke die Leerstandzahlen und deren Anstieg dramatisch. In großen Städten stehe eine Masse an Büroraum leer - und das in den besten Lagen, wo die Wohnungsnot am größten sei und wo die Mieten am stärksten steigen würden. Es gebe kein Recht auf Leerstand, und man habe nicht endlos Platz in den Städten. Die Fraktion forderte eine Bauwende - die Transformation des Bestands und die Behebung städtebaulicher Missstände. Es dürfe aber nicht dazu kommen, dass Luxus-Lofts auf alte Warenhäuser gebaut würden. Damit werde die Wohnungskrise nicht gelöst.

Für die Grünen reicht die geplante Fördersumme von 360 Millonen Euro nicht aus

Die Linke hat einen Antrag vorgelegt, in dem ein Vorrang für den Umbau vor dem Neubau von Gebäuden gefordert wird. Auch die Fraktion der Grünen hat große Erwartungen. Vor dem Hintergrund von elf Millionen Quadratmeter leerstehenden Büroräumen sei eine Fördersumme von 360 Millionen Euro aber nicht besonders viel.

Für die SPD ist der Umbau von Gewerberäumen kein Allheilmittel, aber es sei ein Baustein. Man wünsche sich, dass auch der soziale Wohnungsbau dabei eine Rolle spiele. Der Umbau sei sinnvoll und dem Neubau vorzuziehen. Für die Union ist der Umbau von Gewerbeimmobilien zu Wohnraum ein ganz wichtiges Thema. Der Umbau sei zwar kein "Gamechanger", könne aber einen Beitrag zur Schaffung von Wohnraum sein.

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Die AfD zeigte sich zurückhaltender. Leerstand sei nicht nur die Folge von sich wandelnden Arbeitsmodellen, sondern auch von den vielen Insolvenzen von Unternehmen. Programme wie "Gewerbe zu Wohnen" würden gut klingen, aber in der Praxis zeigten sich Probleme wie mangelnde Infrastruktur, überbordende Vorschriften und Kostenexplosionen. Eine Umnutzung sei sehr teuer und technisch anspruchsvoll. Es gebe oft veraltete Versorgungsleitungen, die Dämmung entspreche nicht den Ansprüchen, und auch die Statik mache Probleme. Abriss und anschließender Neubau seien oft die bessere Lösung.

In der Tat ist der Umbau von ehemaligen Firmengebäuden und Büros zu Wohnungen eine Herausforderung. Hinter jeder Ecke lauere eine Überraschung, erklärten Vertreter der Projektleitung des Quelle-Versandzentrums in einem Interview. Auch zwei Investoren hatten sich mit dem Projekt schon verhoben. Aber es geht weiter. Und bald könnte "The Q", wie das Versandzentrum heute heißt, als Beispiel für die Wiederbelebung von alten Gewerbeflächen dienen.

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