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Komplizierte Finanzierungssysteme : Mehr Geld allein ist keine Lösung

Mehr Geld in das System zu gießen, führt nicht sofort zu neuen Straßen, Schienen und Brücken. Notwendig wäre eine komplette Neuordnung der Verkehrsfinanzierung.

30.07.2025
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4 Min

Wer auf der Autobahn 19 von Berlin kommend Rostock erreicht, wird auf ungewohnte Schilder mit einem Tunnelsymbol und dem Zusatz "Maut" stoßen. Bei Weiterfahrt am Hafen vorbei und durch den Tunnel landet man an einer Mautstation, wo für die Unterquerung der Warnow gezahlt werden muss: derzeit 5,30 Euro pro Pkw und pro Lkw 22 Euro. Die 790 Meter lange Warnow-Querung war das erste selbstfinanzierte Straßenbauprojekt in Deutschland. Weitere gab es bis auf den Herrentunnel zwischen Lübeck und Travemünde nicht mehr.

Foto: picture alliance / ZB/euroluftbi

Die Benutzung des Tunnels unter dem Fluss Warnow bei Rostock ist mautpflichtig. Zum Vorbild-Projekt für selbstfinanzierte Straßenbauprojekte wurde die Warnow-Querung nicht.

Als Vorzeigeprojekt eines privaten und kostenpflichtigen Straßenbaus und Betriebs war die 2003 eröffnete Strecke denkbar ungeeignet: Die vorausgesagten Nutzerzahlen von 30.000 Fahrzeugen pro Tag erwiesen sich als Phantasiewerte. Für einen kostendeckenden Betrieb wären 20.000 Fahrzeuge notwendig gewesen, tatsächlich wurden es 11.000. Um das zu erkennen, hätte schon ein Blick auf die Landkarte gereicht: Pkw fahren lieber durch die Stadt, der Lkw-Verkehr von und zum Rostocker Hafen fährt über die Autobahn 19 zum Autobahnkreuz Rostock, und von dort geht es in Richtung Hamburg, Stettin oder Berlin. 

Kein Wunder, dass 2005 die Insolvenz der Tunnelgesellschaft drohte. Um die zu vermeiden, wurde der Betreibervertrag von 30 auf 50 Jahre verlängert. Danach fällt der Tunnel von der heutigen Betreiberin, der australischen Investmentgesellschaft Atlas Arteria, an die Stadt Rostock.

In Ländern wie Frankreich oder den USA sind Mautprojekte selbstverständlich

Nicht zuletzt wegen der schlechten Erfahrungen in Rostock und auch mit dem Herrentunnel setzten sich Mautprojekte in Deutschland nicht durch, auch wenn diese in Nachbarländern Deutschlands und in Übersee selbstverständlich sind. Atlas Arteria betreibt etwa in Ostfrankreich zusammen mit anderen Unternehmen ein Netz von 2.400 Kilometern Autobahnstrecken und auch den "Chicago Skyway" in den USA. Langlaufende Verträge sichern die Einnahmen; der Chicagoer Vertrag läuft etwa bis zum Jahr 2104.

Ein anderes australisches Unternehmen, Transurban, betreibt zusammen mit anderen Investoren in der US-Hauptstadt Washington und auf Hauptverkehrsstraßen ein besonderes Modell: "Express Lanes" sind mautpflichtige Fahrspuren, die sich neben den kostenlosen Fahrspuren befinden. Morgens fährt man auf den Mautstrecken nach Washington, abends raus in Richtung Virginia. Für die Preise gilt das Prinzip "Dynamic Pricing": Die Mautsätze richten sich nach der Verkehrsdichte und Geschwindigkeit, die bei 70 km/h gehalten werden soll. Fahrzeuge mit drei oder mehr Personen, Busse und Motorradfahrer fahren kostenlos.


„Es ist heute noch so, dass 72 Milliarden, die im Bundeshaushalt für staatliche Investitionen zur Verfügung stehen, nicht abgerufen werden.“
Ökonom Lars Feld

In Deutschland war die Einführung einer Pkw-Maut unter dem damaligen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am EU-Recht gescheitert. Die Lkw-Maut hingegen ist in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet worden. Eine weitere Erhöhung würde gerade den mittelständischen Speditionen stark zusetzen. Als "sinnlosen Inflationstreiber inmitten einer Wirtschaftskrise ohne jede Lenkungswirkung", hatte der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) bereits die letzte Maut-Ausweitung kritisiert.

In Deutschland wäre es wohl undenkbar, an die vielbefahrene Ost-West-Autobahn A 2 zwei zusätzliche Spuren mit Mautpflicht anzubauen. Statt dessen wird privates Kapital an manchen Stellen durch "Öffentlich Private Partnerschaften" (ÖPP) mobilisiert. Wer auf der A 24 von Hamburg nach Berlin fährt, ist teilweise auf einer Privatstraße unterwegs, auch wenn keine Maut erhoben wird. Die private Gesellschaft "Havellandautobahn" hatte ab 2018 die Sanierung und den Ausbau einer 64,2 Kilometer langen Strecke von Neuruppin (Brandenburg) bis zum Autobahndreieck Pankow bei Berlin begonnen.

“Öffentlich Private Partnerschaften” schaffen Spielräume für den Bau von Verkehrswegen

Nach fünf Jahren war die Strecke fertig. Während der Vertragslaufzeit (oft 30 Jahre) zahlt der Bund an die Betreiber für Betrieb und Instandhaltung. ÖPP-Projekte umfassen im Rahmen des Programms "neue Generation" 670 Kilometer Fernstraßen. Neues Kapital schaffe Spielräume zum Erhalt und Ausbau leistungsfähiger Verkehrswege, urteilt das Bundesverkehrsministerium.

Allerdings ist die Zahl der ÖPP-Projekte viel zu gering, um den Investitionsstau aufzulösen. Der Ökonom Lars Feld sagt auf die Frage, woran es hapert: "Nicht am Geld. Es ist heute noch so, dass 72 Milliarden, die im Bundeshaushalt für staatliche Investitionen zur Verfügung stehen, nicht abgerufen werden. Das hat mit überbordender Bürokratie zu tun." Und der Finanzexperte Bert Flossbach (Köln) hat beobachtet: “Der Neubau der Talbrücke Rahmede an der A 45 bei Lüdenscheid kommt zwar gut voran, aber von der Sperrung bis zur Sprengung der alten Brücke vergingen eineinhalb Jahre.”

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Das Haushaltsrecht sorgt überdies dafür, dass bei der Autobahnplanung in Deutschland derzeit weitgehend Stillstand herrscht. Da es keinen Bundeshaushalt für 2025 gibt, gilt die vorläufige Haushaltsführung. Folglich stoppte die bundeseigene Autobahn GmbH ihre Ausschreibungen, soll aber jetzt eine Finanzspritze zur Überbrückung erhalten. Eine Erlaubnis zur Kreditaufnahme durch die Autobahn GmbH war noch zu Zeiten der Ampel-Koalition geplant gewesen, wurde aber nach heftigen Protesten gestoppt, da die Autobahn GmbH keine eigenen Einnahmen hat und somit die Schulden nie hätte zurückzahlen können. Die Lkw-Maut fließt in den Bundeshaushalt. Eine Erhöhung würde der Autobahn GmbH nicht helfen. Notwendig wäre eine komplette Neuordnung der Verkehrsfinanzierung. Preiserhöhungen lösen das Infrastruktur-Problem nicht.

Höhere Trassenpreise sorgen für ein geringeres Verkehrsangebot 

Das gilt genauso für die Bahn, der eine weitere Erhöhung der "Schienen-Maut", wie die von den Bahn-Unternehmen zu zahlenden Trassenpreise genannt werden, nichts bringen würde. Im Gegenteil: Das komplizierte System der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern, Aufgabenträgern und Bahnunternehmen sorgt dafür, dass höhere Trassenpreise zu einer Reduzierung des Verkehrsangebots und damit zu noch volleren Zügen führen würden. Aufgrund der letzten Trassenpreiserhöhung drohten saftige Preiserhöhungen und eine Ausdünnung der Fernverkehrsverbindungen "um satte 25 Prozent", warnt der Chef der Eisenbahner-Gewerkschaft EVG, Martin Burkert. Bahn-Chef Richard Lutz fordert daher eine Reform des Trassenpreissystems.

Hohe Kosten plagen auch die Luftverkehrsbranche. Staatliche Abgaben wie Luftverkehrsteuer, Luftsicherheitsgebühren sowie Flugsicherungsgebühren seien außerhalb Deutschlands entweder unbekannt oder sie seien deutlich niedriger, so die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen. Keine Probleme mit Benutzungsgebühren hat die gewerbliche Binnenschifffahrt. Mit dem Wegfall der "Moselabgabe" zum 1. Juli 2025 wurde die 2019 begonnene Gebührenbefreiung auf Binnenwasserstraßen des Bundes weitgehend abgeschlossen.

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