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Foto: picture alliance/ZB/euroluftbild.de/Werner Riehm
Heizkraftwerke wie dieses im polnischen Bogatynia sind von Kohle abhängig und verursachen hohe CO2-Emissionen.

EU-Parlament stimmt Klimaziel-Kompromiss zu : Fortschritte sollen alle zwei Jahre überprüft werden

Die Europa-Abgeordneten billigen Spielräume beim CO-Ausstoß und einen späteren Start des Emissionshandels für Verkehr und Gebäude.

14.11.2025
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3 Min

Das Europäische Parlament (EP) hat am Donnerstag beschlossen, dass die Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen in der EU bis 2040 um 90 Prozent sinken sollen. Damit bleiben die Abgeordneten auf einer Linie mit den EU-Umweltministern, die ihren Beschluss in der Vorwoche nach langem Streit gefällt hatten. Lediglich in Details weicht ihr Votum ab. EP und Mitgliedstaaten werden die Verhandlungen über die Änderung des EU-Klimagesetzes nun wahrscheinlich vor Jahresende abschließen können.

Für das Klimaziel, über das am Freitag auch der Bundestag in einer Aktuellen Stunde debattierte, stimmten 409 Abgeordnete und 221 dagegen. Möglich wurde das durch eine Koalition der Mitte, bestehend aus Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen - anders als bei der Abstimmung über das Lieferkettengesetz, bei der die Christdemokraten am Donnerstag erstmals die Brandmauer gegen Rechts durchbrachen und Erleichterungen für die Wirtschaft mit Stimmen von Rechtsaußen erreichten.

EU-Klimaziele bis 2040

🌋🌱Die Treibhausgasemissionen in der EU sollen um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Fünf Prozent davon können die Mitgliedstaaten ab 2036 durch Klimaschutzprojekte im Ausland erreichen.

💡💶Weil einige Mitgliedstaaten steigende Benzin- und Heizkosten fürchten, wird der Start des europäischen Emissionshandels für Verkehr und Gebäude um ein Jahr auf 2028 verschoben. Zu Beginn soll der Preis pro verbrauchter Tonne CO2 mit maximal 50 Euro außerdem relativ niedrig ausfallen.

📜 Der Emissionshandel ist das zentrale Klimaschutzinstrument der EU. Es soll Anreize zur Verringerung des Treibhausgasausstoßes schaffen, indem Unternehmen für ihren CO2-Ausstoß Emissionsrechte in Form von Zertifikaten erwerben müssen. Die Zahl der Zertifikate ist begrenzt und wird weiter abgesenkt, sodass sich der Erwerb der Emissionsrechte weiter verteuert.



Rechte und Rechtsextreme lehnten das mittelfristige Klimaziel dezidiert ab. "Das 90-Prozent-Ziel ist absolut losgelöst von der wirtschaftlichen Realität", kritisierte Anna Zalewska von der konservativen EKR-Fraktion. "Das wirkt wie fahrlässige Zockerei." Nach Ansicht der Grünen hingegen wird das Klimaziel den Klimawandel nicht ausreichend eindämmen. Mangels einer besseren Alternative haben sie dem Kompromiss dennoch zugestimmt. "Die Alternative - ein Europa ohne Klimaziel während der Weltklimakonferenz - wäre ein Desaster", urteilte der klimapolitische Sprecher der Fraktion, Michael Bloss.

"Die heutige Abstimmung zeigt, dass die demokratische Mitte des Europäischen Parlaments liefern kann", befand Timo Wölken, umweltpolitischer Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion. Sein Kollege von den Christdemokraten, Peter Liese, betonte: "Wir müssen in der Mitte zusammenarbeiten." Gleichwohl hatten Teile seiner Fraktion, etwa polnische Europa-Abgeordnete, dem Kompromiss nicht zugestimmt.

Ankauf von Klimazertifikaten könnte Milliarden kosten

Das Ziel von 90 Prozent wird in der Realität niedriger ausfallen, weil die Mitgliedstaaten außereuropäische Klimaprojekte anrechnen und dafür Klimazertifikate erhalten können. Bis zu fünf Prozent der Reduktion können sie so auslagern. Die Bundesregierung hatte ursprünglich einen Wert von drei Prozent gefordert. Die Grünen schätzen, dass der Ankauf von Klimazertifikaten rund hundert Milliarden Euro kosten wird. Diese Summe werde für Klimaschutz-Investitionen in der EU fehlen.

Nach dem Willen des EP sollen die Fortschritte ab 2029 alle zwei Jahre überprüft werden. Sollten Mitgliedstaaten die Ziele nicht erfüllen können, soll es Erleichterungen geben. Details stehen aber noch nicht fest.

Kriterien für Klimazertifikate sollen erarbeitet werden

Die EU-Kommission plant eine eigene Gesetzgebung für die Klimazertifikate, um sicherzustellen, dass sie tatsächlich Emissionen reduzieren. Liese nannte ein Negativbeispiel: "In der Vergangenheit wurden in China die klimaschädlichen F-Gase produziert, nur um sie anschließend zu verbrennen, weil es dafür in Europa Klimaschutzzertifikate gab." Das dürfe sich nicht wiederholen. Auf der Weltklimakonferenz in Belém werden dazu gerade Kriterien erarbeitet.

Dass das zentrale Klimaschutzinstrument der EU, der Emissionshandel - jede ausgestoßene Tonne CO2 hat danach einen Preis für die Emittenten - aufgeweicht werden soll durch einen späteren Start des Emissionshandels 2 für Gebäude und Verkehr, bedauern Liese und Bloss. Liese sprach von einer "bitteren Pille", weil das die Erreichung der Klimaziele schwieriger mache.

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