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Ausstellung im Forum Kunst des Bundestags : Wenn Politik auf Kunst trifft

Ihre Werke sollen zur Diskussion über unsere Grundrechte anregen. Bundestagspräsidentin Klöckner nahm die Künstler beim Wort und lud sie zum Gespräch ein.

26.09.2025
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4 Min

Mit ihren Werken für die Ausstellung "Wir. 19 Grundrechte. 19 künstlerische Positionen." öffneten die Künstler einen Gesprächsraum und suchten den Austausch mit Politik und Bürgern, so hatte es Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) bei der Eröffnung der Ausstellung im Mai formuliert. Knapp vier Monate später hat Klöckner das Angebot zum Dialog nun angenommen und selbst einen Gesprächsraum geöffnet - sie lud die 19 Künstler in ihr Amtshaus in Berlin-Dahlem ein, offizieller Dienstwohnsitz der Bundestagspräsidentin, der jedoch nicht von ihr privat, sondern nur für Veranstaltungen des Bundestages genutzt wird. 

19 künstlerische Auseinandersetzungen mit den Grundrechten

So wie am Dienstagabend. Immer wieder öffnet sich die Tür, Gäste treten durch das Foyer ein ins Kaminzimmer, schütteln sich gegenseitig und der Gastgeberin die Hände. Zehn der 19 international renommierten Künstlerinnen und Künstler, die der Bundestag anlässlich des 75. Jahrestages des Grundgesetzes 2024 beauftragt hatte, sich mit dessen ersten 19 Artikeln, den Grundrechten, auseinanderzusetzen, sind der Einladung der Bundestagspräsidentin gefolgt. 

Foto: photothek

Graffiti von Marc Jung: Der Erfurter Künstler (rechts oben) war einer von insgesamt 19 Künstlerinnen und Künstlern, die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (unten bei der Begrüßung von Fotograf Boris Mikhailov) eingeladen hatte.

Darunter etwa der ukrainische Fotograf Boris Mikhailov, der aus dem Libanon stammende Bildhauer Said Baalbaki, der französische Maler Guillaume Bruère oder die deutschen Künstler Adi Hoesle und Barbara Wrede. Hoesle entwickelt mit Wissenschaftlern bildgebende Verfahren, die es schwerstbehinderten Menschen ermöglichen, mit ihrer Umwelt und sich sogar künstlerisch auszudrücken. Wrede widmet ihre Arbeit auch der Kunstvermittlung.

Manche Künstler suchen den Dialog mit der Politik direkt

Kunst könne Spiegel, Korrektiv und Impuls sein, sagte Klöckner in ihrer Begrüßungsrede. Politik, die sich von Kunst nicht irritieren lasse, drohe zu verarmen. "Demokratie muss Spannungen, auch Widerspruch aushalten." Dieser Dialog sei wichtig - auch wenn er manchmal unbequem sei, fügte sie hinzu und fragte die Gäste nach ihren Erfahrungen mit dem Spannungsfeld von Kunst, Politik und Gesellschaft.

Deren biografischer Hintergrund und künstlerische Arbeit könnten kaum unterschiedlicher sein, doch eint sie die Beschäftigung mit demokratischen Werten wie Freiheit, Gleichheit oder Menschenwürde.

"Einige von Ihnen suchen den Dialog mit der Politik direkt, indem sie gesellschaftliche Fragen aufgreifen oder sich ehrenamtlich in Projekten für die Demokratie engagieren", so die Bundestagspräsidentin.


„Politik und Kunst sollten kommunizierende Röhren sein.“
Künstler Adi Hoesle

Zu ihnen gehört etwa der Erfurter Graffiti-Künstler Marc Jung, der in seinen Werken teils vehement Gesellschaftskritik übt. Mit "King of Thorns", das sich mit Artikel 18 des Grundgesetzes beschäftigt, macht er etwa auf die Gefahren aufmerksam, die Demokratie und Rechtsstaat in einer Gesellschaft drohen, die bereit ist, ihre Werte dem Konsum und der Macht zu opfern. 

Oder Uli Aigner, die sich mit ihrem "überlebenslangen" Projekt "One Million" vorgenommen hat, eine Million Porzellangefäße zu drehen und darüber Menschen aus allen Milieus - seien es Obdachlose, Künstler oder aber Politiker - in einer "virtuellen Tischgemeinschaft" zusammenzubringen. "Wer zusammen isst, schlägt sich zumindest nicht den Schädel ein", erklärte sie am Abend ihre Haltung, die sich angesichts der zunehmenden Radikalisierung in Politik und Gesellschaft herauskristallisiert habe. "Ich möchte einfach mit jedem sprechen."

Die Künstlerin Fatoş İrwen war drei Jahre lang politische Gefangene

Andere Künstler seien eher vorsichtig im Kontakt mit der Politik, weil "sie erlebt haben, dass das Konsequenzen haben kann" merkte Klöckner an. Fatoş İrwen etwa, deren Arbeiten Unterdrückung, ethnische Identität und Geschlechtergerechtigkeit behandeln, war drei Jahre in der Türkei inhaftiert. "Aus politischen Gründen", erklärte sie an diesem Abend. Trotzdem fühle sie sich als Künstlerin frei.

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Via Lewandowsky wiederum erlebte Stasi-Überwachung und verließ in den 1980er Jahren die DDR in Richtung Westen. Seine Arbeit für die Ausstellung "19 Grundrechte" beschäftigt sich mit dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis in Artikel 10 des Grundgesetzes, das die Vertraulichkeit schriftlicher Korrespondenz vor staatlichen Eingriffen sichert. Die Verbreitung digitaler Medien jedoch scheine das Verhältnis umgekehrt zu haben, gab Lewandowski zu bedenken: Jetzt müsse eher der demokratische Staat vor Auswirkungen digitaler Medien wie Polarisierung und Populismus geschützt werden.

Die Digitalisierung - ihre Chancen, aber auch ihre Gefahren für die Demokratie - war eines der großen Themen an diesem Abend: Vor diesem Hintergrund äußerten einige der Künstler auch Kritik an Einsparungen im Bildungs- und Kulturbereich, wie sie unter anderem in Berlin stattfinden. "Wie kann es sein, dass gerade hier so gekürzt wird?"

Dialog kann unbequem sein. Doch wie wertvoll er dennoch ist, darüber waren sich alle einig: Das Gespräch baue Vorurteile ab, bringe Menschen einander näher. "Politik und Kunst", meint schließlich Adi Hoesle, "sollten kommunizierende Röhren sein".

Die Ausstellung "WIR. 19 Grundrechte. 19 künstlerische Positionen. Ein Gesprächsraum." ist noch bis zum 21. Juni 2026 im Forum Kunst im Bundestag, Luisenstr. 30, 10117 Berlin, zu sehen und kann dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr besucht werden. Von Dienstag, 30. September, bis Donnerstag, 2. Oktober, ist die Ausstellung wegen Umbauarbeiten geschlossen.

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