
Finanz- und Haushaltspolitik : Finanzminister Klingbeil will "die Bagger rollen" lassen
Der neue SPD-Finanzminister macht Tempo beim Bundeshaushalt und Investitionsanreizen für Unternehmen. Die Opposition ist skeptisch.
Erleichterung für den neuen Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD): Er muss fürs laufende Jahr mit nur rund 0,7 Milliarden Euro weniger an Steuereinnahmen rechnen als bisher erwartet. Diese Zahl präsentierte er am Donnerstagnachmittag bei der Vorstellung der Steuerschätzung 2025. "Die Ergebnisse der Steuerschätzung erschweren uns den Start nicht", sagte der Vizekanzler und SPD-Chef. Sie machten aber auch "die Haushaltsaufstellung nicht leichter", ergänzte er - nicht ohne Grund: Für 2026 beträgt das Minus denn auch schon satte 10,2 Milliarden Euro. Die Steuerschätzung bildet die Basis für die Haushaltsaufstellung.
Der Finanzminister will nun Tempo machen. Der Haushalt 2025 soll bereits am 25. Juni im Kabinett beschlossen werden und anschließend ins parlamentarische Verfahren gehen. Das hatte Klingbeil bereits bei der Regierungsbefragung am vergangenen Mittwoch angekündigt. Der Haushaltsentwurf 2026 solle dann einen Monat später von der Regierung beschlossen werden, sagte er bei der Vorstellung der Steuerschätzung.

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) stand in dieser Sitzungswoche auch erstmals in der Regierungsbefragung Rede und Antwort.
Für Klingbeil ist entscheidend: "Wir müssen unser Land wieder auf Wachstumskurs bringen und müssen die Arbeitsplätze in diesem Land sichern." Wachstum, das weiß der Minister, ist auch die Basis für die Finanzierung der Sozialsysteme.
Deshalb will Klingbeil im Kabinett auch noch vor der Sommerpause den im Koalitionsvertrag verabredeten "Investitionsbooster" für den privaten Sektor beschließen: In den nächsten drei Jahren sollen Unternehmen massive Investitionsanreize durch eine 30-prozentige degressive Abschreibungsregel erhalten. Ab 2028 sollen sukzessive auch die Steuersätze für Unternehmen sinken.
Höhere Schulden für höhere Investitionen
Neben den Haushaltsentwürfen und dem Investitionsbooster soll vor der Sommerpause - ebenfalls am 25. Juni - auch der Gesetzentwurf für die Einrichtung des Sondervermögens Infrastruktur ins Parlament kommen. "Wir wollen, dass die Bagger rollen", erklärte der Minister bei der Finanz- und Haushaltsdebatte im Bundestag.
„Wir werden an der Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes arbeiten müssen.“
Die Basis für die neuen Möglichkeiten zur Staatsverschuldung hatte nach der Wahl 2025 noch der 2021 gewählte Bundestag kurz vor der Konstituierung des neuen Bundestags gelegt. Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten mit ihrer Zweidrittelmehrheit das Sondervermögen Infrastruktur, also 500 Milliarden Euro schwere Kreditermächtigungen, im Grundgesetz verankert, zusammen mit der Ausnahme für Verteidigungsausgaben von der Schuldengrenze des Grundgesetzes. Im bestehenden 21. Bundestag haben die drei Fraktionen keine Zweidrittelmehrheit mehr.
"Wir investieren in Kitas, in Schulen, in Schiene, in Straße, in schnelles Internet, in Klimaschutz, in zusätzlichen Wohnraum, und, ja, wir investieren auch in unsere Bundeswehr", versprach Finanzminister Klingbeil. Dazu kommt noch die geplante Erhöhung der Konsumausgaben im Sozialbereich, insbesondere der Rente.
AfD und Grüne hinterfragen Einigkeit der Koalition
Auf all das haben sich Klingbeils Sozialdemokraten mit CDU und CSU im Koalitionsvertrag verständigt. Dazu sagte Mathias Middelberg (CDU) für die CDU/CSU-Fraktion in der Finanzdebatte: "Deutschland ist international nicht mehr wettbewerbsfähig. Wir verlieren jeden Monat tausende Arbeitsplätze." Der VW-Konzern lasse seinen neuen Kleinwagen ID1 in Portugal produzieren, BMW habe in Ungarn investiert. “Deswegen werden wir an der Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes arbeiten müssen.”
Ob sich CDU/CSU und SPD bei den Prioritäten der Haushaltsaufstellung und in der Finanzpolitik einig sind, stellte für die AfD-Fraktion Michael Espendiller infrage. Er sprach von "zwei Parteien, die sich nicht über den Weg trauen und schon auf die nächste Wahl schauen". Vom Schuldenkurs der Koalition hält die AfD-Fraktion wenig: Deutschland werde bereits jetzt von der bestehenden Zins- und Schuldenlast "erdrückt", rechnete Espendiller vor: Diese betrage derzeit pro Kopf 30.400 Euro.

Felix Banaszak stellte für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an Finanzminister Klingbeil gerichtet fest: "Bei Ihrer Rede haben häufig beide Koalitionspartner geklatscht." Das sei tags zuvor bei der Rede von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) noch anders gewesen. "Ich habe mich ein bisschen an die Ampelzeit erinnert gefühlt - allerdings nicht an den Start, sondern eher an das Ende", sagte Banaszak.
Grüne fordern Maßnahmen im Cum-Cum-Skandal
Inhaltlich kritisierte er die aus seiner Sicht geringe Stellung des Klimaschutzes in der neuen Koalition. Besonders thematisierten die Grünen den Steuerskandal Cum-Cum. Es sei eine zentrale Aufgabe des Finanzministers, das Ausmaß dieses Steuerbetrugs von 28,5 Milliarden Euro aufzuklären. "Vertiefen Sie sich da rein", forderte später Banaszaks Fraktionskollegin Katharina Beck Finanzminister Klingbeil auf. Dies sei dringend, da die Aufbewahrungsfristen wichtiger Dokumente Ende des Jahres ausliefen. Beck forderte ferner, "Gerechtigkeitslücken im Steuersystem" zu schließen. Das betreffe Ausnahmeregeln für Großvermögende und eine Summe im zweistelligen Milliardenbetrag. Als Beispiel nannte sie die Möglichkeit, dass man "300 Wohnungen einfach steuerfrei vererben oder verschenken könne".
Zugespitzter formulierte das Doris Achelwilm von der Fraktion Die Linke: "Diese Koalition wird die Reichsten reicher machen", prangerte sie an. Auch Achelwilm verlangte, dass die neue Koalition Steuerpraktiken beenden solle, "bei denen sich Hochvermögende mit halblegalen Tricks armrechnen und die Allgemeinheit um wichtige Milliarden prellen".

Trotz neuer milliardenschwerer Spielräume durch Grundgesetzänderungen will die Koalition den Rotstift ansetzen. Gekürzt werden soll unter anderem beim Personal.

Im Koalitionsvertrag setzen Union und SPD auf Steueranreize für mehr Investitionen und weniger Bürokratie, um die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen.

Wirtschaft, Verteidigung, Migration: Bundeskanzler Friedrich Merz kündigt bei seiner ersten Regierungserklärung einen Politikwechsel "in vielerlei Hinsicht" an.