Erste Regierungserklärung des neuen Kanzlers : Merz sieht seine Regierung "im Dienst aller Bürger"
Wirtschaft, Verteidigung, Migration: Bundeskanzler Friedrich Merz kündigt bei seiner ersten Regierungserklärung einen Politikwechsel "in vielerlei Hinsicht" an.
Es war eine Premiere, die zu Recht mit Spannung erwartet werden durfte: die erste Regierungserklärung des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU). Wie wird sich der Mann, der in der zurückliegenden Legislaturperiode als scharfzüngiger Oppositionsführer zu erleben war, nun im Parlament als Inhaber der Richtlinienkompetenz präsentieren, acht Tage nach seiner Wahl?

Verschärfung der Migrationspolitik, mehr Geld für die Bundeswehr, wirtschaftlicher Aufschwung: Friedrich Merz hat sich für seine Kanzlerschaft viel vorgenommen.
Schon die ersten Sätze des neuen Regierungschefs ließen am Mittwoch erkennen, dass seine Rede viele mitnehmen sollte: Seine Regierung, betonte Merz, stehe im Dienst aller 84 Millionen Bürger des Landes, wolle neue Sicherheit geben, die Freiheit verteidigen, das "Versprechen vom Wohlstand für alle" erneuern und Zusammenhalt in der Gesellschaft stiften. Dazu brauche es in vielerlei Hinsicht einen Politikwechsel. Deutschland könne die Herausforderungen der Zeit aus eigener Kraft bestehen "und daraus etwas Gutes machen". Dabei wolle die Koalition die Probleme "aus der demokratischen Mitte unseres Landes heraus" lösen.
Dank und Anerkennung von Merz für den Amtsvorgänger
Merz dankte zugleich seinem Amtsvorgänger Olaf Scholz (SPD), der das Land "durch Zeiten außergewöhnlicher Krisen geführt" habe. Scholz' Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sei wegweisend und historisch gewesen. Dafür gelte ihm Dank und Anerkennung.
Der Regierungschef bekräftigte den Wunsch nach einem "gerechten, dauerhaften, tragfähigen Frieden in der Ukraine". Auf dem Weg dorthin werde man die Ukraine weiter kraftvoll unterstützen. Dabei sei Deutschland nicht Kriegspartei und werde dies auch nicht, stehe aber "ohne Wenn und Aber" an der Seite der Ukrainer.
„Wir wollen regieren, um Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stiften.“
Die Hilfe für die Ukraine nannte der Kanzler eine gemeinsame Anstrengung der Europäer und Amerikaner "in unserem ureigensten Interesse". Wer glaube, Russland gäbe sich mit einem Sieg über die Ukraine oder der Annexion von Teilen des Landes zufrieden, irre, warnte er und betonte die "überragende Bedeutung, dass der politische Westen sich nicht spalten lässt". Deshalb wolle er alle Anstrengungen unternehmen, um "größtmögliche Einigkeit zwischen den europäischen und den amerikanischen Partnern herzustellen".
Wettbewerbsfähigkeit soll der neue Maßstab für die Wirtschafts- und Finanzpolitik sein
Für Deutschland gelte zugleich, seine Verteidigungsfähigkeit auszubauen. "Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen", sagte Merz und kündigte an, dass die Bundeswehr alle erforderlichen finanziellen Mittel erhalte, “um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden”.
Der Regierungschef zeigte sich daneben entschlossen, Deutschland wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Dabei werde die Regierung die Wettbewerbsfähigkeit zum Maßstab ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik machen. Auch mahnte Merz, mit der möglichen Aufnahme neuer Schulden "äußerst behutsam" umzugehen. Sie ließen sich nur rechtfertigen, wenn damit der Wert der Infrastruktur dauerhaft gesteigert und das Leistungsvermögen des Landes verbessert würden.
Zu den erforderlichen Reformen gehört dem Kanzler zufolge ein "beherzter Rückbau der überbordenden Bürokratie". An den deutschen, europäischen und internationalen Klimazielen werde seine Regierung festhalten, aber zu ihrer Erreichung auch neue Wege gehen, fügte Merz hinzu.
Er verteidigte zudem die Verschärfung der deutschen Migrationspolitik. "Wir ordnen Migration: mit mehr Begrenzung, mehr Zurückweisungen, mehr Steuerung, mehr Rückführungen", sagte er. Dabei mache die Bundesregierung keinen nationalen Alleingang, sondern verhalte sich im Einklang mit europäischem Recht. Deutschland bleibe ein Einwanderungsland, doch habe es in den vergangenen zehn Jahren zu viel ungesteuerte Einwanderung zugelassen.
AfD wirft dem Kanzler Wortbruch bei Wahlversprechen vor
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel nannte Merz mit Blick auf dessen Wahl erst im zweiten Wahlgang einen "Kanzler der zweiten Wahl". Die Signale, die von diesem "Fehlstart" ausgingen, seien Schwäche und Instabilität, sagte Weidel. Merz' Weg ins Kanzleramt sei von gebrochenen Wahlversprechen und "Kapitulation vor Linken und Grünen" gesäumt.
Weidel forderte zugleich ein Ende der Energiewende sowie den Wiedereinstieg in die Atomkraft sowie in Kohle und "günstigem Erdgas aus Russland". Auch müssten Zurückweisungen illegaler Migranten aus sicheren Drittstaaten zwingend sein, Grenzkontrollen lückenlos und dauerhaft erfolgen und illegale Einreisen auf Null reduziert werden, fügte Weidel hinzu.
SPD dringt auf weitergehende Reform der Schuldenbremse
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch sagte, seine Fraktion werde die Regierungspolitik "selbstbewusst, konstruktiv und auch zielführend begleiten". Man habe vier spannende Jahre vor sich, "die das Land voranbringen werden". Für die Sozialdemokraten seien Solidarität und Zusammenhalt das Leitbild, das sie in diesen Jahren im Parlament vertreten wollten.
Dabei seien im Koalitionsvertrag Elemente enthalten, die den Zusammenhalt im Lande stärken. Diese wolle seine Fraktion durchsetzen. So habe man mit der Schaffung eines Sondervermögens die Handlungsfähigkeit des Staates gewährleistet. Nun müsse die im Koalitionsvertrag vereinbarte weitergehende Reform der Schuldenbremse schnell auf die Tagesordnung.
Grüne attestieren Merz “einen anderen Ton”
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge wünschte der neuen Regierung ungeachtet aller politischen Differenzen "viel Erfolg für die nächsten Jahre". Das Land habe eine Regierung verdient, die funktioniert.
Merz habe indes im Bundestag den "schwierigst möglichen Start" gehabt, fügte Dröge hinzu. Es sei keine Kleinigkeit, wenn ein Kanzler im ersten Wahlgang keine Mehrheit bekommt. Damit sei die Koalition deutlich instabiler, als es für das Land gut sei. Merz habe bei vielen Gelegenheiten polarisiert, in seiner Rede nun indes "einen anderen Ton" gefunden. Sie erwarte von ihm, dass er ein "Kanzler aller Menschen in diesem Land" sei.
Spahn: Koalition wird Vertrauen zurückgewinnen
Unions-Fraktionschef Jens Spahn (CDU) sagte, sechs Monate nach dem Bruch der Ampelkoalition sei mit der Kanzlerwahl von Merz die "Hängepartie endlich vorbei". Das Ergebnis der Bundestagswahl vom 23. Februar wertete er als "politisches Beben". Die "Volksparteien der politischen Mitte" seien geschwächt, die extreme Rechte sowie die "populistisch-radikale Linke" dagegen erstarkt. Darin zeige sich ein massiver Vertrauensverlust.
Die neue Koalition werde jedoch zeigen: "Wir haben verstanden", fügte Spahn hinzu. Sie starte "zuversichtlich, nüchtern und pragmatisch", werde positiv überraschen und Vertrauen wiedergewinnen durch gute Politik.
Linke nennt Koalitionsvertrag “Dokument des Scheiterns”
Für Die Linke kritisierte ihr Fraktionschef Sören Pellmann dagegen, die Koalition stehe "für Hoffnungslosigkeit, für soziale Kälte, für Stillstand". Auch solle sie aufhören, "Politik im Sinne der Rechten zu machen".
Seine Fraktion sah Pellmann dagegen als "die Stimme für soziale Gerechtigkeit in diesem Land". Die Linke stehe "bereit für eine soziale Wende, für Respekt, für Frieden und für Gerechtigkeit", sagte er. Zum schwarz-roten Koalitionsvertrag sage sie dagegen klar: "Nicht mit uns". Der Koalitionsvertrag sei ein "Dokument des Scheiterns". Er enthalte "keine Visionen, keine Entschlossenheit und keinen Plan für den sozialen Ausgleich".
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