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UN-Klimakonferenz in Belém : Es braucht Kompromisse - und eine gute Portion Optimismus

Zahlreiche Absichtserklärungen haben die Erderwärmung bislang nicht stoppen können. Kann der am Montag in Brasilien beginnende 30. Weltklimagipfel die Wende bringen?

06.11.2025
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6 Min
Foto: Steven Rösler

Im neu errichteten Kongresszentrum im Parque da Cidade in Belém wird sich vom 10. bis 21. November alles ums Klima drehen. Erwartet werden mehr als 50.000 Teilnehmer aus fast 200 Ländern.

Wer eine Portion Optimismus braucht, wenn es um den Kampf gegen die Erderwärmung geht, ruft bei Jochen Flasbarth an. Der 63-jährige SPD-Politiker ist beamteter Staatssekretär im Bundesumweltministerium, zuständig auch für internationale Klimapolitik. Seit Wochen fliegt er durch die Welt, bemüht sich darum, dass es auf der diesjährigen Weltklimakonferenz vom 10. bis zum 21. November im brasilianischen Belém keinen Eklat gibt. Jetzt, da viele von einem Rollback im Klimaschutz reden, setzt Flasbarth auf Einigung.

Allein im Oktober war er zu Gesprächen mit Umwelt- und Klimaministern in Indien, Saudi-Arabien, Brasilien, China. Danach, am Telefon, sagt er: "Es geht kein Weg daran vorbei, die Treibhausgase zu mindern. Das wissen alle." Wirklich?

Mitte Oktober dieses Jahres erst platzte ein UN-Klimaschutzabkommen in der Schifffahrt. Dabei hatte eigentlich alles nach einer Mehrheit für ein System zur Bepreisung der CO2-Emissionen von Schiffen ausgesehen. Auch Flasbarth hat das genau verfolgt. Er sagt: "Mir wurde zum Beispiel berichtet, dass die USA Vertretern kleiner Inselstaaten gedroht haben, ihnen keine Visa mehr auszustellen." Er hat auch keinen Hehl daraus gemacht, was er davon hält, dass der Beschluss am Ende noch einmal um ein Jahr nach hinten verschoben wurde - nichts.

Nicht alle Staaten sind derzeit für einen Kompromiss zu haben

Es sei ein "bitterer Tag für den Kampf gegen den Klimawandel", schrieb er in den sozialen Medien, "Staaten lassen sich vielleicht unter Druck setzen, der Planet nicht". Das ist ein ungewöhnlicher, ein harscher Ton für Flasbarth, der zwar als hartnäckig, aber auch äußerst diplomatisch gilt, als einer, der Kompromisse findet. Doch sind derzeit nicht alle für einen Kompromiss zu haben.

US-Präsident Donald Trump hat schon in seinem Wahlkampf mit dem Slogan "Drill, baby, drill" klargemacht, was er will: Öl und Gas stärker fördern. Noch am Tag seiner Amtseinführung Anfang dieses Jahres kündigte er dann auch das Pariser Klimaschutzabkommen. Das hatte er in seiner ersten Amtszeit auch schon getan. Zwischendurch machte sein Amtsnachfolger Joe Biden dies wieder rückgängig, förderte zudem klimafreundliche Technologien und erneuerbare Energien.


Porträt von Jochen Flasbarth
Foto: BMUKN/Sascha Hilgers
„Es geht kein Weg daran vorbei, die Treibhausgasemissionen zu mindern. Das wissen alle.“
Staatssekretär Jochen Flasbarth

Für Flasbarth ist Trumps Agieren aber nicht das Ende internationaler Klimadiplomatie. Er prophezeit: "Die Klimakonferenz in Belém wird trotz Trumps Antiklimapolitik gut, denn alle, mit denen ich geredet habe, wollen zeigen, dass es auch ohne die USA geht." Darum steht die Weltgemeinschaft aber noch nicht dort, wo sie einst hinwollte.

Ein Rückblick. Weltklimagipfel in Paris, 12. Dezember 2015, 19.20 Uhr: Der damalige französische Außenminister Laurent Fabius lässt einen kleinen grünen Hammer auf sein Pult sausen und verabschiedet so das Pariser Klimaabkommen. Europa, die USA, China, die Inselstaaten - alle feiern einen historischen Vertrag.

Erstmals mehr Strom aus Erneuerbaren Energien als aus Kohle produziert 

Sie verpflichten sich mit ihm, die globale Erwärmung durch den menschengemachten Klimawandel "weit unterhalb von zwei Grad" zu halten, zudem anzustreben, sie nicht über 1,5 Grad ansteigen zu lassen. Das alles soll im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung gelten. Und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sollen die weltweiten Netto-Treibhausgasemissionen bei null sein. Alle Staaten geben sich dazu nationale Klimaziele, alle fünf Jahre werden diese überprüft und verbessert. Das Signal: Die Welt baut um, will weg von den fossilen Energien, von Gas, Kohle, Öl hin zu Solar- und Windkraft, zu erneuerbaren Energien.

Heute, zehn Jahre später, gibt es zwar Erfolge: Im ersten Halbjahr 2025 wurde weltweit erstmals mehr Strom aus Erneuerbaren Energien produziert als aus Kohle. Das zeigt eine Studie der britischen Denkfabrik Ember. Der Anteil der Erneuerbaren am globalen Strommix hat sich demnach auf 34,3 Prozent erhöht, der Kohleanteil ist auf 33,1 Prozent gesunken.

Bemühungen der Staaten reichen insgesamt nicht aus

Und China, auch wenn das Land weltweit die meisten Treibhausgase ausstößt, treibt die Energiewende derzeit so an, dass es für Europa aus wirtschaftlicher Sicht gefährlich werden kann. Die Volksrepublik, zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, besetzt künftige Märkte für grüne Technologien - Solarzellen, Batterien, Elektroautos. Präsident Xi Jinping nennt den grünen Wandel "den Trend unserer Zeit".

Foto: picture alliance/REUTERS/Anderson Coelho

Die Amazonas-Metropole Belém wurde bewusst als Austragungsort gewählt, denn der Regenwald ist von entscheidender Bedeutung für das globale Klima.

Insgesamt reichen die Bemühungen der Staaten aber nicht. 2024 war weltweit das wärmste Jahr seit den Aufzeichnungen, erstmals lagen die Temperaturen im Jahresschnitt 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Und nicht nur das Land heizt sich auf, auch das Meer sogar bis in 2.000 Meter Tiefe. 

Beim Paris-Abkommen geht es um das dauerhafte Überschreiten der 1,5-Grad-Marke, nicht das einmalige. Doch wird die Erwärmung voraussichtlich anhalten, weil der Treibhausgasausstoß noch steigt - 2024 sogar so stark wie seit Beginn der modernen Messungen im Jahr 1957 nicht. Das rechnet die Weltwetterorganisation vor. Sie warnt zudem, dass die Fähigkeit der Natur abnimmt, CO2 aus der Luft aufzunehmen.

Sinkende Pegel in Indien, steigende Zuckerpreise in den USA

Dabei ist der Klimawandel schon jetzt unangenehm spürbar. Wetterextreme nehmen zu, mal fällt der Regen knüppeldick vom Himmel, dann wieder gar nicht. Die Vereinten Nationen listen beispielsweise im Bericht "Dürre-Hotspots weltweit 2023-2025" eine Reihe von Problemen auf. So bewirkten in Spanien zwei trockene Jahre in Folge eine Verdopplung des Olivenöl-Preises, weil die Olivenernte um 50 Prozent eingebrochen war. In Brasilien fiel der Wasserstand des Amazonas so weit, dass es zu einem Massensterben von Fischen und seltenen Flussdelfinen kam. Im Panama-Kanal sackte der Wasserstand dermaßen ab, dass zeitweise ein Drittel weniger Schiffe passieren konnten. In Thailand und Indien litt die Zuckerproduktion so stark unter der Trockenheit, dass Zucker in den USA 8,9 Prozent teurer wurde.


„Derzeit warnt die Wissenschaft, dass sich die Erde im schlimmsten Fall in den nächsten 25 Jahren um drei Grad erhitzen kann. Das darf nicht passieren. “
Staatssekretär Jochen Flasbarth

Der Klimawandel setzt dem Menschen zu, auch in Deutschland: die Hitze, die Stechmücken, die in Regionen vordringen, die ihnen zuvor zu kalt waren, und die Zecken, die sich bei längeren Sommern und milderen Wintern ausbreiten. Oder die Vibrionen, die Infektionen auslösen können, in der Ostsee leben und sich bei Wassertemperaturen, die mehrere Tage lang über 20 Grad liegen, stärker vermehren.

Hat das Paris-Abkommen nichts gebracht - oder nur zu wenig? Klima-Diplomat Flasbarth, der als einer der Architekten des Abkommens gilt, weil er schon in Paris dabei war und entscheidende Streitfragen zwischen den Staaten mit löste, sagt: "Derzeit warnt die Wissenschaft, dass sich die Erde im schlimmsten Fall in den nächsten 25 Jahren um drei Grad erhitzen kann. Das darf nicht passieren. Aber vor Paris waren wir auf einem Fünf-Grad-Pfad." Fortschritte seien möglich, man müsse dranbleiben - und schneller werden.

Kritik am EU-Emissionshandel wächst mit immer mehr Auflagen

Allerdings ringt die EU derzeit selbst damit, wie ehrgeizig sie beim Klimaschutz sein will. Sollen auch nach 2035 noch Diesel und Benziner, also Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gebaut und neu verkauft werden dürfen, damit die Autoindustrie nicht überfordert wird? Und: Wie ambitioniert soll ein EU-Klimaziel für 2040 sein, wenn die Wirtschaft nicht rund läuft?

"Da gibt es derzeit durchaus beißende ironische Kommentare anderer Staaten", so Flasbarth. Aber in Europa sei der Klimaschutz mit Gesetzen unterlegt. Vor allem funktioniere der Emissionshandel. Mit ihm bekommen CO2-Emissionen einen Preis. Er soll, das ist die Idee, dazu führen, dass klimafreundlichere Techniken sich mehr lohnen und so an Bedeutung gewinnen. Aber die Kritik wächst, je strenger die Auflagen werden. Gerade die energieintensive Industrie fordert, die Regeln zu lockern. In jedem Fall solle der Ausbau erneuerbarer Energien weltweit verdreifacht, die Energieeffizienz bis 2030 verdoppelt sowie die Abkehr von fossilen Energien vorangebracht werden, so Flasbarth. Darauf habe sich die Weltgemeinschaft bereits vor zwei Jahren in Dubai geeinigt. In Belém sollten diese Ziele nun konkretisiert werden.

Gibt es eine Alternative zu einer Weltklimakonferenz? Nicht nur logistisch ist sie eine Herausforderung. Im brasilianischen Belém sind die Preise für die Übernachtungen explodiert, weil es kaum Unterkünfte für die erwarteten 50.000 Teilnehmenden gab. Deutschland hat seine Delegation wie viele andere verkleinert. Aber auch das Format selbst steht in Frage, weil es mühsam vorangeht und die USA als größte Wirtschaftsmacht der Welt es diesmal unterlaufen könnten. Flasbarth sagt: "Nein. Jedes Jahr eine Weltklimakonferenz zu haben, das hat eine eigene Dynamik, weil eigentlich niemand mit leeren Händen anreisen will."

Mit ihm fliegt der Optimismus nach Belém. 

Die Autorin ist freie Journalistin in Berlin.

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