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Ifo-Geschäftsklimaindex sinkt erneut : Wirtschaftskrise wird zum Wahlkampfthema

Wirtschaftspolitische Debatten prägten die Sitzungswoche im Bundestag. Die Union geht mit der ehemaligen Ampelkoalition hart ins Gericht.

20.12.2024
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4 Min

Die Wirtschaftspolitik hat in der letzten Sitzungswoche des Jahres einen breiten Raum eingenommen. In zahlreichen Debatten ging es um die negativen Wirtschaftszahlen und die Strukturkrise, in der sich Deutschland befindet. Die Zuhörer bekamen einen Vorgeschmack darauf, welches Thema den Wahlkampf in den kommenden Wochen bestimmen dürfte.

Steuersenkungen für Unternehmen, Bürokratieabbau, Lieferkettengesetz und Solidaritätszuschlag komplett streichen, das Bürgergeld durch Grundsicherung ersetzen sowie den Emissionshandel ausweiten und die Prüfung der Wiederaufnahme abgeschalteter Kernkraftwerke: All das fordert die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Antrag “Politikwechsel für Deutschland - Soziale Marktwirtschaft statt grüner Planwirtschaft”, der am Donnerstagvormittag im Bundestag debattiert wurde.

Ifo-Geschäftsklimaindex fällt im Dezember überraschend stark

Auf Verlangen der FDP wurde am selben Tag die Stimmung in der deutschen Wirtschaft nach dem am Dienstag veröffentlichten Ifo-Geschäftsklimaindex zum Thema einer Aktuellen Stunde gemacht. Der Ifo-Geschäftsklimaindex als wichtigstes Barometer für die Konjunktur in Deutschland fiel im Dezember überraschend stark auf 84,7 Zähler von 85,6 Punkten im Vormonat, wie das Münchner Ifo-Institut zu seiner Umfrage unter rund 9.000 Führungskräften mitteilte. Dies ist der sechste Rückgang in sieben Monaten und der niedrigste Wert seit Mai 2020. "Die Schwäche der deutschen Wirtschaft ist chronisch geworden", so die Ifo-Ökonomen.

Foto: picture alliance / Flashpic

Julia Klöckner und Jens Spahn vor Beginn der Debatte: "Die Hütte brennt lichterloh", so Christdemokrat Spahn in seiner Rede.

Die AfD-Fraktion brachte Anträge für eine "sofortige Wirtschaftswende für Deutschland” sowie zur “Entlastung deutscher Unternehmen” ein. Darin forderten die Abgeordneten unter anderem die Abschaffung des Lieferkettengesetzes. Heftige Kritik zogen sich die AfD-Abgeordneten mit ihrer Wahlkampfforderung nach dem Ausstieg aus der Europäischen Union und der Wiedereinführung der D-Mark zu. Das isoliere Deutschland international, schade der auf Exporten basierenden Wirtschaft, gefährde die Unternehmen und zerstöre den Wohlstand des Landes, hieß es von Seiten mehrerer Kritiker aus anderen Fraktionen.

Kritik musste auch die FDP-Fraktion einstecken. Während Christoph Meyer (FDP) forderte, die Rahmenbedingungen der Unternehmen müssten "dringend verbessert werden", und monierte, dass sich das Land zu lange auf Erfolgen der Vergangenheit ausgeruht habe, erinnerten ihn die anderen Abgeordneten daran, dass die Liberalen drei Jahre lang Teil der Ampelregierung gewesen seien.

SPD beklagt Ausgangslage für Ampelregierung Anfang 2022

Gabriele Katzmarek (SPD) sagte: "Die FDP hat einen großen Anteil zur wirtschaftlichen Lage beigetragen." Die Liberalen seien "Opposition in der eigenen Regierung" gewesen. Dabei sei die Ausgangslage für die Ampel - mit Corona, Russland-Krieg und Energiekrise - so schwer gewesen, wie für keine andere Regierung vorher.

Stefan Rouenhoff (CDU) warf der FDP vor, die Partei sei viel zu lange Teil der Ampelkoalition gewesen. "Die Wirtschaftsschwäche hat auch mit der Ampel zu tun", sagte er. Die Regierung stehe für eine staatsdirigistische Wirtschaftspolitik.

Lisa Badum (Grüne) verwies darauf, dass bereits Anfang 2021 Ökonomen davor gewarnt hätten, zur Wirtschaftspolitik der 1990er Jahre zurückzukehren, doch "die FDP hat an der Schuldenbremse festgehalten".

Union wirft Ampelregierung “gelenkte Wirtschaftspolitik” vor

Sebastian Münzenmaier (AfD) hielt der FDP vor, drei Jahre in der Ampel mitregiert zu haben, damit habe sich die Partei "zum Steigbügelhalter rot-grüner Politik gemacht". Doch auch nach dem Austritt aus der Regierung mache die FDP keine liberale Politik.

Jörg Cezanne (Die Linke) hielt der FDP vor, dass deren wirtschaftspolitische Konzepte selbst von Ökonomen abgelehnt würden. Die Wirtschaft müsse klimaneutral umgestellt werden, darauf habe sich die Weltgemeinschaft geeinigt. Die Transformation der Wirtschaft sei eine "gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der alle beteiligt werden müssen", sagte er.


„Zu Weihnachten sagt die Union, wem sie Geschenke unter den Baum legen möchte: Besserverdienenden und Superreichen.“
Janine Wissler (Die Linke)

Aber auch der CDU/CSU-Antrag zur Wirtschaftspolitik kam - in Wahlkampfzeiten - nicht gut weg. Julia Klöckner und Jens Spahn (beide CDU) warfen der Bundesregierung vor, auf "immer mehr Staat" gesetzt zu haben, doch diese "gelenkte Wirtschaftspolitik" sei gescheitert, so Klöckner.

Jens Spahn verschärfte den Ton noch. "Die Hütte brennt lichterloh", beschrieb er die wirtschaftliche Lage des Landes. Die Große Koalition habe der Ampelregierung ein "Land im Wachstum übergeben", davon sei nichts mehr übrig. Spahn verwies auf den Antrag seiner Fraktion. Nur mit diesen Maßnahmen komme die Wirtschaft wieder zu Wachstum.

Vorwurf der FDP: Zu hohe Steuern und zu hohe Energiepreise

Die Gescholtenen von SPD, Grünen und FDP wiesen die Kritik weit von sich: Sebastian Roloff (SPD) und Katharina Beck (Grüne) warfen der Unionsfraktion Wahlkampf vor. "Die Union legt nichts Neues vor", sagte Roloff. Seit mehr als zwei Jahren behaupte sie, die Strukturkrise der Wirtschaft habe nichts mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine zu tun, dabei habe die CDU von 2005 bis 2021 die Bundeskanzlerin gestellt. Das Steuerfortentwicklungsgesetz sei in dieser Woche zwar mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP verabschiedet worden, jedoch in einer stark entfernten Variante.

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Nicole Bauer (FDP) betonte, "hohe Steuern und Abgaben" sowie "zu hohe Energiekosten" gefährdeten den Standort Deutschland.

Für Malte Kaufmann (AfD) sind die Ampelparteien "maßgeblich verantwortlich" für eine "Rezession nie dagewesenen Ausmaßes. Den Unions-Antrag nannte er "unglaubwürdig", weil der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz in nach der Bundestagswahl eine weitere Zusammenarbeit mit Robert Habeck als Wirtschaftsminister nicht ausgeschlossen habe.

Janine Wissler (Die Linke) warf der Union vor, "Steuergeschenke für Superreiche" zu verteilen. Mit der Abschaffung des Bürgergeldes würde die Union "Jobverlierer auf die Rutschbahn in die Armut setzen".

Für Alexander Ulrich (BSW) ist der frühere Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einer der Hauptschuldigen für die Krise. Statt in Bahninfrastruktur und in Digitalisierung zu investieren, habe er an der Schuldenbremse festgehalten.

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