Piwik Webtracking Image

Sichere Herkunftsstaaten : Ende der "Blockade" im Bundesrat

Die Bundesregierung soll sichere Herkunftsstaaten nach dem Willen des Bundestages per Rechtsverordnung bestimmen können - ohne Zustimmung des Bundesrates.

06.12.2025
True 2025-12-05T16:20:40.3600Z
3 Min
Foto: picture alliance/dpa/Daniel Löb

Ein Migrant geht in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Bayern mit der Erstausstattung an Besteck, Bettwäsche und Hygieneartikeln zu seinem Wohnbereich.

Die Klassifizierung eines Landes als asylrechtlich sicherer Herkunftsstaat hat in Deutschland schon häufig für heftige Auseinandersetzungen gesorgt, und auch wenn sich im Bundestag eine Mehrheit für eine solche Einstufung fand, war diese damit noch keineswegs unter Dach und Fach: 2016 etwa beschloss der Bundestag, Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten einzustufen, doch verweigerte der Bundesrat - insbesondere aufgrund des Widerstands der Länder mit Regierungsbeteiligung der Grünen - die erforderliche Zustimmung. 2019 unternahm die damalige Koalition von Union und SPD einen erneuten Anlauf, der Bundesrat aber strich die Abstimmung über den entsprechenden Bundestagsbeschluss von seiner Tagesordnung. Die drei Maghreb-Länder sind nach wie vor nicht als sichere Herkunftsstaaten eingestuft.

Damit soll künftig Schluss sein, hat sich die aktuelle Koalition bei ihrer Neuauflage in diesem Frühjahr vorgenommen: Sie wollten zur Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten "auch die Möglichkeiten der GEAS-Reform ausschöpfen", also der 2024 beschlossenen Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems, und insbesondere eine solche Einstufung durch Rechtsverordnung der Bundesregierung ermöglichen, kündigten Union und Sozialdemokraten in ihrem Koalitionsvertrag an.

Neuregelung gilt für die zwei Kategorien mit den meisten Schutzsuchenden

Mehr zum Thema

Mehr zum Thema "Wir sind ein Einwanderungsland"
Sonja Eichwede im Interview: "Wir sind ein Einwanderungsland"

Noch vor der parlamentarischen Sommerpause folgte im Juli der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen "zur Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten durch Rechtsverordnung" . Am Freitag hat der Bundestag die Vorlage nun mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit und der AfD gegen die von Grünen und Linken in modifizierter Fassung verabschiedet. In namentlicher Abstimmung votierten 457 Abgeordnete für die Vorlage, 130 stimmten dagegen, drei enthielten sich.    

Danach kann die Bundesregierung für internationalen Schutz im Sinne der Paragrafen 3 und 4 des Asylgesetzes (Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention beziehungsweise subsidiärer Schutz) einen Herkunftsstaat per Rechtsverordnung als sicher bestimmen. In diese beiden Kategorien fallen die meisten Schutzberechtigten in Deutschland.

Die Regeln bei der Asylberechtigung nach Grundgesetz-Artikel 16a gelten weiter

Die Regelungen zur Benennung sicherer Herkunftsstaaten für die Asylberechtigung nach Grundgesetz-Artikel 16a bleiben unangetastet. In diesen Fällen werden sichere Herkunftsstaaten per Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt.

Ziel der Neuregelung ist laut Vorlage, "zügig auf Asylantragstellungen aus asylfremden Motiven" reagieren zu können, "um diese Verfahren insgesamt zu beschleunigen, so dass im Falle einer möglichen Ablehnung auch die Rückkehr schneller erfolgen kann".

Zehnjährige Sperrfrist bei Einbürgerung nach arglistiger Täuschung 

Der Gesetzentwurf sieht zugleich die Streichung der 2024 eingeführten Pflicht zur Bestellung eines Rechtsbeistands in Verfahren über die Anordnung von Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam vor. Am Mittwoch hatte der Innenausschuss auf Antrag der Koalition in die Vorlage unter anderem noch eine Ergänzung des Staatsangehörigkeitsgesetzes aufgenommen. 


„Sie von den Grünen haben es jahrelang verhindert und damit auch einen großen Schaden für unser Land angerichtet.“
Alexander Throm,(CDU)

Danach soll eine Einbürgerung für die Dauer von zehn Jahren ausgeschlossen werden, wenn sie unanfechtbar zurückgenommen oder im Einbürgerungsverfahren festgestellt wurde, „dass ein Antragsteller, um für sich oder einen anderen eine Einbürgerung zu erwirken, arglistig getäuscht, gedroht oder bestochen hat oder vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben zu wesentlichen Voraussetzungen der Einbürgerung gemacht oder benutzt hat“.

Union bekräftigt Blockadevorwurf an die Adresse der Grünen

In der Debatte begrüßte die Parlamentarische Innen-Staatssekretärin Daniela Ludwig (CSU), dass Länder mit sehr geringen Anerkennungsquoten künftig  schneller als bisher als sichere Herkunftsstaaten ausgewiesen werden könnten. Hier hätten die Grünen “über Jahre blockiert”.  

Alexander Throm (CDU) kündigte an, dass die Bundesregierung als ersten Schritt Algerien, Marokko und Tunesien sowie Indien als sichere Herkunftsstaaten einstufen werde. Dies hätten die Grünen “jahrelang verhindert und damit einen großen Schaden für unser Land angerichtet”. 

SPD: Kern des Asylrechts bleibt weiterhin unangetastet 

Sebastian Fiedler (SPD) betonte, dass die Koalition Asyl- und Gerichtsverfahren beschleunige , “ohne den Kern unseres Asylrechts anzutasten”. Auch künftig erhalte jeder Schutz, “der begründen kann, dass Verfolgung droht”.


„Das ist eine Machtverschiebung: weg vom Parlament, weg von demokratischer Kontrolle, hin zu politischer Willkür.“
Clara Bünger (Linke)

Christian Wirth (AfD) nannte es einen “gangbaren Schritt”, dass die Bundesregierung Länder “als sichere Herkunftsstaaten für den internationalen Schutz nach EU-Recht” bestimmen könne. Solche notwendigen Einstufungen seien seit Jahren im Bundesrat gescheitert.    

Grüne und Linke halten Neuregelung für verfassungswidrig

Filiz Polat (Grüne) kritisierte dagegen die Gesetzesvorlage als verfassungswidrig. Mit der Einstufung sicherer Herkunftsstaaten per Rechtsverordnung würden Asylverfahren ausgehöhlt, das Parlament entmachtet und das Grundgesetz missachtet.   

Clara Bünger (Linke) wertete die Neuregelung als “Machtverschiebung weg vom Parlament, weg von demokratischer Kontrolle, hin zu politischer Willkür". Wer aus betreffenden Staaten fliehe, erhalte “Asylverfahren zweiter Klasse”. Dies sei verfassungswidrig.   

Mehr zur Migrationspolitik

Zwei Asylbewerber in der Aufnahmeeinrichtung im bayerischen Zirndorf.
Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten: Schwarz-rote Blockadebrecher
Die Koalition will Herkunftsstaaten von Flüchtlingen künftig auch ohne Beteiligung von Bundestag und Bundesrat als sicher einstufen können.
„Abgeschoben“ steht auf einem Stempeleintrag im Pass
Asylpolitik der Bundesregierung: Schwarz-Rot setzt auf Migrationskompromisse
Grenzkontrollen, Doppelpass und sichere Herkunftsstaaten: Wie Union und SPD ihre Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag zur Zuwanderungspolitik umsetzen.
Polizist mit Signalschild von hinten
Härteres Ausweisungsrecht, keine Turboeinbürgerung: Der schwarz-rote Kompromiss in der Migrationspolitik
Über die Asyl- und Migrationspolitik wird seit Jahren heftig gestritten. In ihrem Koalitionsvertrag setzen Union und SPD nun auf schärfere Regeln.