Piwik Webtracking Image

108 Milliarden Euro für Verteidigung : Schulden im Zeichen der Zeitenwende

Die Opposition verlangt die Befristung der Bereichsausnahme bei der Schuldenbremse. Doch die Koalition will die Ausgaben weiter erhöhen.

28.11.2025
True 2025-11-28T16:02:30.3600Z
4 Min

Es ist eine Zahl, die man als historisch bezeichnen kann: 108,2 Milliarden Euro wird Deutschland im kommenden Jahr für Verteidigung ausgeben. Historisch, weil sie einen neuen Höchststand seit dem Ende des Kalten Krieges markiert. Historisch aber vor allem, weil sie eng verbunden ist mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 und der vom damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufenen Zeitenwende. Zum Vergleich: Im Jahr vor Beginn des Krieges lag der deutsche Wehretat bei gerade mal 46,93 Milliarden Euro.

Foto: picture alliance/dpa

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beim sogenannten Roll-Out des neuen Leopard 2A8 des Rüstungskonzerns KNDS am 19. November. Von der aktuellsten Version des Kampfpanzers sind vorerst 123 Stück für die Bundeswehr bestellt.

Der vom Bundestag am Mittwoch mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen das Votum der Opposition angenommene Verteidigungsetat umfasst 82,69 Milliarden Euro. Hinzu kommen jedoch weitere Mittel im Umfang von 25,51 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr. Damit stehen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) 2026 annähernd 22 Milliarden Euro mehr zur Verfügung als in diesem Jahr.

Sondervermögen und Ausnahme bei der Schuldenbremse ermöglichen Rekordausgaben

Möglich wurden die gewaltigen Erhöhungen der Verteidigungsausgaben zum einen durch das 2022 vom Bundestag beschlossene und im Grundgesetz verankerte Sondervermögen von hundert Milliarden Euro. Zum anderen durch die zum Ende der vergangenen Legislaturperiode von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschlossene Grundgesetzänderung, die die Verteidigungsausgaben mit der sogenannten Bereichsausnahme von den Beschränkungen der Schuldenbremse befreite.

Mehr zum Thema

Mehr zum Thema Die Bundeswehr in Zahlen
Kurs Wachstum: Die Bundeswehr in Zahlen

Bei der Opposition entzündete sich die Kritik denn auch vor allem an den gewaltigen Schulden, die der Bund aufnimmt. Von den rund 108 Milliarden Euro, so rechnete der AfD-Haushaltspolitiker Thomas Ladzinski vor, entfielen 39 Milliarden auf die Bereichsausnahme und weitere 26 Milliarden Euro auf das schuldenfinanzierte Sondervermögen. "Mehr als jeder zweite Euro der Verteidigungsausgaben im Jahr 2026 wird durch Schulden finanziert." Die Neuverschuldung des Bundes werde die Tilgungslast für den Schuldendienst in den kommenden vier Jahren auf mehr als 60 Milliarden treiben. Der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg werde die Bundesrepublik "nahezu handlungsunfähig" machen, prognostizierte Ladzinski.

Nicht viel anders klingt die Kritik aus der Linksfraktion. Deren Haushaltspolitiker Dietmar Bartsch monierte, dass die Bundesregierung allein mit dem Kernhaushalt von rund 83 Milliarden Euro so viel ausgebe wie für Forschung und Technologie, Wohnen und Stadtentwicklung, Bildung, Familie, Senioren sowie Gesundheit, Wirtschaft und Energie. Die von der Koalition angestrebten Verteidigungsausgaben von rund 160 Milliarden Euro bis 2029 seien doppelt so hoch wie die aktuellen Verteidigungshaushalte von Frankreich und Großbritannien zusammen. Der deutsche Verteidigungshaushalt sei "ein Fass ohne Boden für die Steuerzahler und ein Sprengsatz für den sozialen Zusammenhalt". Die Bereichsausnahme müsse eine Ausnahme bleiben und "nicht als Standard anerkannt werden", forderte Bartsch.

Grüne hoffen auf Erfolg der Kommission zur Schuldenbremse

Auch bei den Grünen, die die Bereichsausnahme durch ihre Zustimmung ermöglicht hatten, mehren sich offenbar die Bauchschmerzen angesichts der schuldenfinanzierten Verteidigungsausgaben. "Die Bereichsausnahme", so befand der grüne Haushaltsexperte Sebastian Schäfer, "darf keine Ewigkeitsgarantie haben." Deshalb sei es so wichtig, dass die Reformkommission zur Schuldenbremse ein Erfolg werde. Deutschland werde dann verteidigungsfähig sein, wenn die Bundeswehr "gut aufgestellt" und die Gesellschaft "stabil" sei. Dafür benötige man aber auch "geordnete Staatsfinanzen", argumentierte Schäfer.


„Das bedeutet mehr Verteidigungsfähigkeit auf und unter dem Wasser, auf Ketten und auf Rädern, in der Luft und im Weltraum.“
Andreas Mattfeldt (CDU)

Verteidigungsminister Pistorius hingegen schaut ebenso wie die Abgeordneten der Koalition mit einem anderen Blickwinkel auf die Bereichsausnahme. "Mit der Bereichsausnahme von der Schuldenbremse haben wir Planungssicherheit und Glaubwürdigkeit geschaffen", befand Pistorius. Bei der Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr müsse "mehr Tempo" gemacht werden.

Der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz räumte zwar ein, dass die Kosten hoch seien, "aber wir sind der festen Überzeugung, dass es sich lohnt, sie zu bezahlen". Mit dem Haushalt erhalte die Bundeswehr Zahlungssicherheit, Ausstattungssicherheit und Fähigkeitssicherheit. Die Truppe erhalte mehr gepanzerte Fahrzeuge sowie Transport- und Unterstützungsfahrzeuge, die Munitionsbestände würden ausgeweitet, Aufklärung, Führung und Kommunikation verbessert und man mache große Schritte bei der Satellitenkommunikation und der digitalen Vernetzung.

Rund 48 Milliarden Euro für militärische Beschaffungen

Annähernd 48 Milliarden Euro sollen im kommenden Jahr für militärische Beschaffungen aufgebracht werden. Der Haushaltausschuss hatte zwar die ursprünglich vorgesehenen Mittel für die Beschaffung von Munition in Höhe von 12,67 Milliarden Euro um 3,72 Milliarden Euro gekürzt, dafür aber die Mittel für das Bekleidungswesen der Bundeswehr um 2,35 Milliarden Euro und andere Projekte erhöht. Weitere 7,46 Milliarden Euro sind für den Materialerhalt eingeplant. Für die Unterbringung der Soldaten, den Betrieb und Erhalt von Kasernen und Anlagen sind Ausgaben von 11,31 Milliarden Euro vorgesehen. Zur Deckung der Personalausgaben für die Soldaten und Zivilangestellte bringt der Bund weitere 24,71 Milliarden Euro auf.

Auch der CDU-Haushaltsexperte Andreas Mattfeldt ist überzeugt davon, dass sich die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr "auf und unter dem Wasser, auf Ketten und auf Rädern, in der Luft und im Weltraum" erhöhen wird. Dies werde man am Zulauf der neuen Ausrüstung "jetzt von Monat zu Monat merken", versprach Mattfeldt. Doch gerade daran zweifelt die Opposition, weil sich zentrale Rüstungsvorhaben immer weiter verzögern und verteuern.

Mehr zum Thema

Fregatte 904 "Al-Aziz" beim Eintreffen in Kiel
Gescheiterte Rüstungsbeschaffung: "Völlige Unklarheit, wie es weitergeht"
Die Beschaffung der Fregatte 126 liegt vorerst auf Eis. Der Haushaltsauschuss hat die Mittel gesperrt und das Verteidigungsministerium muss Alternativen prüfen.
Christian Haase im Porträt
Christian Haase im Interview: "Es wird schwer werden"
Der Haushaltsexperte weist Kritik am Infrastruktur-Sondervermögen zurück – und sieht erhebliche Herausforderungen beim Haushalt 2027 auf die Abgeordneten zukommen.
Zwei Panzer der Art Leopard 2 auf dem Feld
Stärkung der Verteidigungsfähigkeit: Wenn ehrgeizige Zielvorgaben auf knappe Ressourcen treffen
Die Bundeswehr muss enorme Anstrengungen bei Personal und Material unternehmen, um die in der Nato vereinbarten Fähigkeiten bereitzustellen.