Dietmar Bartsch zum Haushalt 2026 : "Dahinter steckt keine tragfähige Idee"
Linken-Haushälter Dietmar Bartsch kritisiert die hohen Verteidigungsausgaben und plädiert für eine Reform der Erbschaftsteuer sowie der sozialen Sicherungssysteme.
Nachdem der Bundestag vergangene Woche den Haushalt 2025 verabschiedet hat, steht nun der Haushaltsplan für 2026 zur Beratung an. Was halten Sie vom Etatentwurf der Bundesregierung für das kommende Jahr?
Dietmar Bartsch: Wenig. Die Neuverschuldung wird gigantisch nach oben getrieben, bis 2029 liegt sie mit Sondervermögen bei über 170 Milliarden Euro pro Jahr. Der einzige Posten, der größer ist als die Rüstungsausgaben, sind die Schulden. Dahinter steckt keine tragfähige Idee. Ich frage mich: Wo wollen Merz und Klingbeil hin? Gerade bei Lars Klingbeil: Ich habe einige Finanzminister erlebt, selten war ich mit ihnen einer Meinung, aber sie hatten in der Regel eine inhaltliche Idee, bei Lars Klingbeil sehe ich sie nicht.
Was ist für Sie das größere Problem: die Höhe der Verschuldung oder die Verteidigungsausgaben?
Dietmar Bartsch: Die Verschuldung ist ein Problem, allein wegen der massiv steigenden Zinsausgaben, aber das Hauptproblem ist, wofür diese Mittel eingesetzt werden. Ich war immer ein Gegner der Schuldenbremse. Kredite können sinnvoll sein, wenn in Infrastruktur, sozialen Zusammenhalt, Klimaschutz und den Rechtsstaat investiert wird. Aber jetzt wird die Schuldenbremse ausschließlich für Verteidigung - "Kriegstüchtigkeit" - ausgehebelt, während in anderen Bereichen gespart werden soll. Das ist falsch.

Dietmar Bartsch ist haushaltspolitischer Sprecher der Linksfraktion, deren Vorsitzender er von 2015 bis 2023 war. Er gehörte dem Bundestag von 1998 bis 2002 und wieder seit 2005 an.
Die Koalition will im Haushalt konsolidieren und bei den Sozialausgaben kürzen...
Dietmar Bartsch: Wie soll das in dem Umfang möglich sein? Wer glaubt, man könne durch Kürzungen im Sozialstaat die Haushaltslöcher stopfen, führt die Menschen hinter die Fichte. Genau das macht die Bundesregierung mit diesem Haushalt.
Die Bundesregierung betont nicht nur die Verteidigungsausgaben, sondern auch Rekordinvestitionen in die Infrastruktur...
Dietmar Bartsch: Die Größenordnungen stimmen nicht. Von den 100 Milliarden Euro für die Länder aus dem Sondervermögen kommen in meinem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern gerade einmal rund 160 Millionen pro Jahr an. Das ist nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Es sind Erwartungshaltungen geschürt worden, die in keiner Weise realisiert werden können. Das wird uns - ich sage bewusst "uns" - auf die Füße fallen, weil die Leute glauben, jetzt endlich ist Geld da, jetzt wird was passieren. Aber es wird nicht so viel passieren können.
Der Finanzminister hatte versprochen, dass die Bagger rollen. Sie glauben das nicht?
Dietmar Bartsch: Dieser Spruch geht mir ehrlich gesagt auf den Keks. Ich habe nichts dagegen, wenn Bagger rollen und Vernünftiges entsteht - aber tatsächlich rollen Panzer. Zur Relation: Was Mecklenburg-Vorpommern im nächsten Jahr erhält, entspricht ungefähr den Kosten für fünf Leopard-2-Panzer. Bestellt werden langfristig 1.000.
„Mit dem Sondervermögen wurden falsche Weichen gestellt.“
Aus Sicht der Linken müssten die Verteidigungsausgaben also deutlich niedriger ausfallen?
Dietmar Bartsch: Selbstverständlich. Als ich als Haushälter begann, lag der Verteidigungsetat etwas über 20 Milliarden Euro. Jetzt sind es 82 plus Sondervermögen - rund 108 Milliarden Euro. Und es soll noch mehr werden. Das ist absurd. Die Bundeswehr sollte angemessen ausgestattet sein, aber zuerst muss definiert sein, was das strategische Ziel ist. Zweitens braucht es dringend eine Reform des Beschaffungswesens. Drittens eine echte europäische Komponente - die gibt es bisher so nicht. Vielfach beschafft jeder für sich, das sieht man zum Beispiel bei der Munition. Das sind alles Punkte, wo ich erst Lösungen strategischer Natur will. Dann kann man über Geld reden. Mit dem Sondervermögen wurden falsche Weichen gestellt.
Inwiefern?
Dietmar Bartsch: Es gab bereits ein Sondervermögen von 100 Milliarden. Heute redet niemand mehr darüber, alles ist verplant. Damals galt es als großer Durchbruch, fast alle standen im Bundestag auf. Aber was ist mit den 100 Milliarden passiert? Bei Rheinmetall läuft's. Eigentlich müsste die Bundeswehr heute viel besser ausgestattet sein. Stattdessen sind von 13 Großprojekten elf teurer geworden und verspätet. Es ist doch klar: Wenn fast unbegrenzt Geld da ist, steigen die Preise.
Was wären aus Ihrer Sicht die richtigen Weichenstellungen im Haushalt?
Dietmar Bartsch: Man darf nicht nur auf die Ausgaben schauen, sondern muss auch die Einnahmen stärken. Dringend notwendig ist eine Reform der Erbschaftsteuer. Jeder, der halbwegs gerade im Kopf ist, würde das akzeptieren. Ich bin für hohe Freibeträge. Aber dass Milliardenvermögen vererbt und verschenkt werden, ohne dass ein Cent Erbschaft- oder Schenkungsteuer anfällt, das ist ein Problem. In den USA, in Frankreich oder Großbritannien sind die Einnahmen um ein Vielfaches höher - 80 bis 120 Milliarden im Jahr.
In der Union wird das Thema kontrovers diskutiert. Erwarten Sie Bewegung?
Dietmar Bartsch: Ich habe die Hoffnung, dass etwas passiert. Allerdings weder in diesem noch im nächsten Jahr, weil das eine wahnsinnige rechtliche und politische Herausforderung ist. Es gehört aber mehr als die Einnahmenseite dazu...
Was meinen Sie?
Dietmar Bartsch: Wir brauchen ernsthafte Reformen der sozialen Sicherheitssysteme. Unser Rentensystem muss so stabil sein, dass der Satz "Die Rente ist sicher" wieder gilt. Ähnliches gilt für Pflege und Krankenversicherung. In all diesen Bereichen erwarte ich konkrete Reformvorschläge von der Koalition. Stattdessen setzt die Bundesregierung auf Arbeitsgruppen - mehr Gruppen als Maßnahmen. Meine Sorge ist, dass viel zu wenig dabei herauskommt.
„Große politische Vorhaben kann ich nicht durchsetzen, aber das eine oder andere schon - worüber man dann aber selbstverständlich nicht öffentlich redet.“
Auch zur Reform der Schuldenbremse gibt es eine Expertenkommission. Erwarten Sie, dass Union und SPD am Ende Vorschläge ins Parlament einbringen?
Dietmar Bartsch: Ja, aber kaum einen großen Wurf. Vielleicht einen Schritt in die richtige Richtung. Am Ende bin ich für die Streichung der Schuldenbremse. Was soll dieser Quatsch? Gibt es in den USA oder Großbritannien eine Schuldenbremse? Nein. Und als wir keine hatten, haben wir viel weniger Schulden gemacht als die Bundesregierung jetzt.
Nun geht es in die Beratungen im Haushaltsausschuss. Es ist der zweite Haushalt in kurzer Zeit. Zerrt das an der Kondition?
Dietmar Bartsch: Ja, das ist eine Belastung - für Abgeordnete, für die Mitarbeiter und die Ministerien. Der Sommer war hart mit dauernden Reisen nach Berlin und langen Einzelplangesprächen zum Haushalt 2025. In dieser Woche habe ich fünf Reden gehalten und betreue Etats wie Verteidigung, Inneres und Justiz. Das ist de facto eine Überforderung - und für kleinere Fraktionen mit weniger Personal noch härter. Im Übrigen leisten auch das Finanzministerium und die anderen Ministerien Hervorragendes.
Opposition im Haushaltsausschuss bedeutet, dass Ihre Anträge von der Mehrheit abgelehnt werden. Können Sie trotzdem Akzente setzen?
Dietmar Bartsch: Anträge der Opposition werden abgelehnt, das ist so. In den Einzelplangesprächen ist es differenzierter. Wenn etwas notwendig ist, kann man mit den Fachleuten der Koalition reden. Große politische Vorhaben kann ich nicht durchsetzen, aber das eine oder andere schon - worüber man dann aber selbstverständlich nicht öffentlich redet. Daran halte ich mich, denn ich will möglichst weiter konkrete Dinge erreichen.
Mehr zum Haushalt 2026

In der Finanzplanung des Bundes fehlen aktuell 172 Milliarden Euro. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) kündigt einen harten Konsolidierungskurs an.

Muss die Erbschaftssteuer in Deutschland angehoben werden? Anja Krüger ist dafür, Thomas Sigmund hält es für den den falschen Weg: ein Pro und Contra.

Gesundheitsministerin Nina Warken will höhere Beiträge in der Kranken- und Pflegeversicherung verhindern. Noch ist aber unklar, was genau sie plant.