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35 Milliarden für Investitionen : Turbulente Tage für den Verkehrsminister

Schnieders Kandidat für den Chefposten der DB InfraGo zieht sich zurück. Die Opposition lehnt seinen Etatplan ab und hält die Bahnstrategie für wenig ambitioniert.

26.09.2025
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5 Min
Foto: picture alliance

Evelyn Palla (l.) wurde am Dienstag zur neuen Bahnchefin gewählt. Dirk Rompf (r.), vorgesehen als Leiter der DB InfraGo, zog sich nach Gewerkschaftsprotesten zurück. Verkehrsminister Patrick Schnieder (Mitte) ließ das Gezerre um die Besetzung der Bahnspitze beschädigt zurück.

Für Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) waren die vergangenen Tage ereignisreich. Zum einen hat er die Führungsspitze des Bahnkonzerns neu aufgestellt - zum anderen seine "Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene" vorgestellt. Und dann ist da noch der Haushaltsentwurf für 2026, der Investitionen in Höhe von knapp 35 Milliarden Euro vorsieht. So weit, so gut. Doch Schnieder sah sich bei der Vorstellung des Verkehrsetats am Dienstag heftiger Kritik gegenüber: an seiner Neubesetzung der Bahnspitze, an seiner Bahnstrategie und am Etat. Zumindest das Problem mit seiner Personalentscheidung bei der Bahn hatte sich aber schon zwei Tage später - ohne sein Zutun - gelöst.

Klar ist: Auch 2026 wird der Verkehrsetat der größte Investitionshaushalt des Bundes sein. Darin erfasst sind jedoch nur noch 13,7 Milliarden Euro. Der Rest der insgesamt 34,9 Milliarden Euro, die für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stehen - 21,2 Milliarden Euro - kommt aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität.

Die Opposition sieht im Sondervermögen einen “Verschiebebahnhof”

Massive Kritik an diesem Missverhältnis gibt es bei der Opposition. Sowohl Stefan Henze (AfD) als auch Sascha Wagner (Linke) sprachen von einem "Verschiebebahnhof". Im Ergebnis werde sich "trotz der horrenden Schulden" der Zustand der Infrastruktur in den nächsten vier Jahren nicht allzu sehr verbessern, prognostizierte Henze. Wagner sagte, wer angesichts der schrumpfenden Mittel im Kernhaushalt noch leugnen wolle, dass das Sondervermögen ein Verschiebebahnhof im großen Stil ist, dem sei nicht mehr zu helfen.

Swantje Michaelsen (Grüne) warf dem Verkehrsminister vor, Gelder zwischen Kernhaushalt und Sondervermögen hin und her zu schieben, "in der Hoffnung, dass niemand merkt, dass am Ende lächerliche fünf Milliarden Euro mehr für Investitionen herumkommen - trotz astronomischer Neuverschuldung". Das sei verantwortungslos "und auch nicht der Deal, als wir das Sondervermögen gemeinsam beschlossen haben".


Paula Piechotta im Portrait
Foto: Philip Knoll
„Bevor nicht der gesamte Erhalt finanziert ist, gibt es auch keinen Neubau. Punkt! Da ist der Koalitionsvertrag eindeutig.“
Paula Piechotta (Bündnis 90/Die Grünen)

Aber auch Schnieder selbst hat ein Problem mit dem Sondervermögen. Wenn der Anteil an Investitionsmitteln außerhalb des Verkehrsetats größer sei als der innerhalb des Verkehrsetats, könne der Verkehrsminister das Ziel, auf allen Feldern der Infrastruktur zu liefern, nicht alleine leisten, gab Schnieder zu bedenken. Das Sondervermögen, so beklagte der Minister, biete nicht die nötige Flexibilität.

Paula Piechotta (Grüne) äußerte eine Vermutung, in welche Richtung diese Flexibilisierung nach den Vorstellungen der Union gehen soll: in den Neubau von Straßen nämlich. So sei Kanzler Friedrich Merz mit seiner Äußerung zu verstehen, das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Prinzip Erhalt vor Neubau bedeute ja nicht, Erhalt anstatt Neubau. "Bevor nicht der gesamte Erhalt finanziert ist, gibt es keinen Neubau", stellte Piechotta klar.

Der Neubau der A20 müsse kommen, insistierte hingegen Daniel Kölbl (CDU). Solch wichtige Verkehrsprojekte gelte es zu realisieren. "Die Bagger müssen rollen", sagte der Abgeordnete und forderte den flexibleren Einsatz der Haushaltsmittel. Wenn etwa in einem Haushaltsjahr ein Schienenprojekt aus irgendwelchen Gründen gar nicht realisiert werden kann, aber auf der anderen Seite ein baureifes Autobahnprojekt auf seine Realisierung und seine Finanzierung wartet, muss das Geld aus seiner Sicht dafür eingesetzt werden können.

SPD fordert die Einführung eines Eisenbahn-Infrastrukturfonds

Die Problematik, dass die Mittel für die Schiene, die nicht innerhalb eines Jahres verbaut werden können, am Ende des Jahres verfallen, bewegt auch Anja Troff-Schaffarzyk (SPD). Sie hat aber einen anderen Lösungsansatz. Es brauche eine Abkehr von der starren jährlichen Budgetplanung und die Einführung eines Eisenbahn-Infrastrukturfonds, sagte sie. Schon im vorliegenden Haushaltsgesetz 2026 müsse eine explizite Regelung für die Übertragbarkeit der Mittel für die Bahninfrastruktur verankert und der Weg für einen Eisenbahn-Infrastrukturfonds geebnet werden.

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Zum Thema Bahn hatte Verkehrsminister Schnieder am Dienstag aus seiner Sicht Erfreuliches zu berichten. Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG habe die von ihm vorgeschlagene bisherige Chefin von DB Regio, Evelyn Palla, zur Vorstandsvorsitzenden gewählt, sagte er. Unter Palla werde die Qualität der Bahn "ab sofort Chefinnensache".

Für Streit sorgte eine andere Bahnpersonalie. Schnieder plante nämlich, Dirk Rompf, Geschäftsführer bei der Strategieberatung Ifok, zum Chef der Infrastruktursparte DB InfraGo zu machen. Er bringe fast 30 Jahre Erfahrung im Eisenbahnsektor und fundierte Kenntnisse in der Infrastruktur mit, lobte ihn der Minister.

Doch Rompf traf auf erheblichen Widerstand - zuallererst bei der Gewerkschaft EVG, deren Vorsitzender der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Burkert ist. Weil Rompf mehrere Jahre Chef der Netz-Sparte unter dem damaligen Infrastruktur-Vorstand Ronald Pofalla war, wirft ihm Burkert vor, mit seinem "Sparwahn" mitschuldig an der heutigen Situation zu sein.

Bei Burkerts Partei, der SPD, hielt sich die Begeisterung über die Personalie Rompf ebenfalls in Grenzen. Nicht zuletzt, weil Schnieder die Sozialdemokraten bei der Entscheidungsfindung über die neue Bahnspitze nicht mit einbezogen hat.

Sieg für die EVG: Schnieders Kandidat Rompf zieht sich zurück

Angesichts des Widerstandes gegen ihn, vor allem aus der Gewerkschaft, gab Rompf dann am Donnerstag bekannt, dass er für den Bahn-Leitungsposten nicht mehr zur Verfügung steht. Was auf den ersten Blick wie eine Niederlage für Schnieder aussieht, könnte bei genauerer Betrachtung ein Glücksfall für den Minister sein. Nun kann er mit Palla und dem auch bei der EVG akzeptierten bisherigen und nun auch zukünftigen InfraGo-Chef Philipp Nagl seine neue Zufriedenheits-Agenda versuchen umzusetzen, ohne dass die Personalie Rompf ihn dabei belastet. Schließlich bietet die neue Bahnstrategie auch so schon genug Angriffspunkte. Mit ihr wird unter anderem das Pünktlichkeitsziel im Fernverkehr auf 70 Prozent im Jahr 2029 abgesenkt. Von "wenig ambitioniert" bis "auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben", lauteten die Reaktionen bei AfD und Linken.


„Der Bund muss den Ländern dauerhaft verlässliche Mittel zur Verfügung stellen, um das Ticket zu stabilisieren.“
Sascha Wagner (Die Linke) über das Deutschlandticket

Auch Schnieder stellen 70 Prozent Pünktlichkeit bis 2029 nach eigener Aussage "nicht zufrieden". Es könne aber auch nicht sein, "dass wir aus der Luft gegriffene Pünktlichkeitsfantasieziele verkünden, die realistisch niemand erreichen kann", sagte er vor dem Bundestag.

Deutschlandticket soll künftig 63 Euro im Monat kosten

Nicht zufrieden ist der Minister auch mit dem erneuten Preisanstieg des Deutschlandtickets. Die als 29-Euro-Ticket gestartete Fahrkarte für den Regionalverkehr in ganz Deutschland, die aktuell 58 Euro kostet, soll ab dem kommenden Jahr 63 Euro pro Monat kosten. "Der Bund muss den Ländern dauerhaft verlässliche Mittel zur Verfügung stellen, um das Ticket zu stabilisieren", forderte Linken-Haushälter Wagner. Viel besser wäre es aus seiner Sicht, wenn es langfristig auf 29 Euro gesenkt würde. "So sähe eine soziale und klimafreundliche Verkehrspolitik aus", sagte Wagner.

Auch er habe sich gewünscht, dass der Preis stabil bleibt, machte der Verkehrsminister deutlich. Mehr als 1,5 Milliarden Euro an Bundeshilfe seien angesichts der Haushaltslage aber nicht möglich gewesen. Die Alternative, so Schnieder, wäre die Aufgabe des Deutschlandtickets gewesen.

Das Geld, das der Bund und die Länder jährlich für den "Billigfahrpreis" ausgebe, fehle am Ende "für die Infrastruktur und für bessere Fahrpläne", befand Wolfgang Wiehle (AfD). Er forderte einen "ehrlichen Preis für das Deutschlandticket", und dazu einen Sozialtarif, "damit es sich auch Bürger mit schmalem Geldbeutel leisten können".

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