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Etat des Auswärtigen Amtes : Stunde der Pendeldiplomatie

Außenminister Wadephul unterbricht den Besuch der UN-Vollversammlung für die Etatberatung im Bundestag. Streitpunkt bleibt die humanitäre Hilfe.

26.09.2025
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5 Min

Über den früheren Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) hieß es oft, dieser sei in beiden Maschinen an Bord, wenn sich zwei Flugzeuge über den Wolken begegnen. Den Eindruck des vielfliegenden Pendeldiplomaten machte diese Woche auch der heutige Ressortchef: Johann Wadephul (CDU) unterbrach ebenso wie Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) eigens den Besuch der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) in New York, um bei der Einbringung des Auswärtigen beziehungsweise des Entwicklungs-Etats im Bundestag in Berlin Präsenz zu zeigen. 

Bei der Generaldebatte in New York hatte US-Präsident Donald Trump wenige Stunden zuvor die Staatengemeinschaft mit der Aussage erstaunt, er persönlich habe seit Januar bereits sieben Kriege beendet.

Foto: picture alliance / REUTERS

US-Präsident Donald Trump vor der UN-Vollversammlung in New York am Dienstag. Die USA halten als bislang größter Geber ihre Beitragszahlungen zurück und setzen die UN finanziell unter Druck.

An den Vereinten Nationen ließ Trump kein gutes Haar: Er warf ihnen Versagen bei den Bemühungen um Frieden, die Förderung unkontrollierter Migration und "Betrug" beim Klimawandel vor, kurzum: die Vereinten Nationen blieben unter ihren Möglichkeiten.

USA ziehen sich aus Finanzierung der Vereinten Nationen zurück

In Trumps zweiter Präsidentschaft haben sich die USA aus der Finanzierung wichtiger UN-Hilfssysteme zurückzogen. Welche Auswirkungen das für Deutschland hat, wurde am Mittwoch in den Haushaltsberatungen im Bundestag sehr deutlich: Neben dem Leid in Gaza und neben den gefährlichen, Russland zugeschriebenen Nato-Luftraumverletzungen setzten die Rednerinnen und Redner mit diesem Thema den Ton in der Debatte. Die Bundesrepublik ist nach den USA zweitgrößter Beitragszahler der Vereinten Nationen und zudem bisher zweitgrößter Geber humanitärer Hilfen, steht aber nach einer deutlichen Reduzierung dieser Hilfen im Haushalt 2025 auch in der Kritik.

Minister Wadephul machte sich in seiner Rede für eine Aufstockung dieser Mittel stark. "Ressourcen für Außenpolitik sind kein Luxus, sondern Investitionen in eine Welt, die stabiler, sicherer und friedlicher sein muss", sagte er. "Krisen und Konflikte, die wir ignorieren, von denen wir uns einbilden, sie beträfen uns nicht, die kommen früher oder später zu uns." 

1,4 Milliarden Euro Ausgaben für humanitäre Hilfe und Krisenprävention

Als Beispiel nannte er die Lage im Sudan, wo 30 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen und zwölf Millionen Menschen auf der Flucht seien. Es sei im "ureigensten sicherheitspolitischen Interesse" Deutschlands, sich in solchen Krisenregionen zu engagieren, um neue Kriege und Fluchtbewegungen zu verhindern, sagte Wadephul.


Derya Türk-Nachbaur im Portrait
Foto: DBT / photothek
„Wer bei der Krisenprävention spart, zahlt später einen vielfach höheren Preis.“
Derya Türk-Nachbaur (SPD)

Für Ausgaben für humanitäre Hilfe und Krisenprävention sieht der Etatentwurf der Bundesregierung für das Auswärtige Amt 1,4 Milliarden Euro vor: Das liegt leicht unter dem Niveau des vergangene Woche beschlossenen Haushalts für das laufende Jahr. Insgesamt soll das Auswärtige Amt im nächsten Jahr 6,1 Milliarden Euro zur Verfügung haben - 94 Millionen Euro mehr als 2025. Final wird der Bundestag über den Etat nach den Beratungen im Haushaltsausschuss, voraussichtlich im November, entscheiden.

Stefan Keuter (AfD) beklagte eine "dreiste Verweigerung eines klaren Wählerauftrages" zum Sparen. Millionen Euro würden "für dubiose Projekte im Ausland" verschenkt - von der Müllbeseitigung in Gaza bis zu "Beduinenbeschäftigungsprogrammen auf dem Sinai", sagte er. "Das ist Steuergeldvernichtung mit dem Siegel der Bundesregierung." 

Hart ins Gericht ging Keuter mit dem Aufnahmeprogramm für afghanische Ortskräfte, in seinen Worten ein "staatlich finanziertes Schleuserprogramm". In Kabul würden 10.000 Euro gezahlt, um auf eine NGO-Aufnahmeliste "zu einer Rundumversorgung in Deutschland zu kommen". Hier werde richtig Kasse gemacht - "basierend auf einem Märchen".

Investitionen in Auslandsschulen und die Digitalisierung

Derya Türk-Nachbaur (SPD) hob hervor, dass der Etat leicht wachse und mehr in Personal, Infrastruktur, Digitalisierung, die Auslandsschulen und die kulturellen Beziehungen investiert werde. "Deutschland lässt seine Stimme in der Welt nicht leiser werden." Sie bedauerte aber, dass die Mittel für die Krisenprävention sinken sollen. "Wer bei der Krisenprävention spart, zahlt später einen vielfach höheren Preis - in Menschenleben, in Instabilität, in neuen Fluchtbewegungen", sagte Türk-Nachbaur. “Wir haben 2015 erlebt, was passiert, wenn die Weltgemeinschaft zu spät reagiert.”

Der Auswärtige Etat im Überblick 📊

📈 Insgesamt soll das Auswärtige Amt laut Haushaltsentwurf der Bundesregierung im nächsten Jahr 6,1 Milliarden Euro zur Verfügung haben - 94 Millionen Euro mehr als 2025.

📉 Die Ausgaben für "Sicherung von Frieden und Stabilität" sollen laut Entwurf um 90,1 Millionen Euro auf 2,5 Milliarden Euro sinken.

📉 Für "Humanitäre Hilfe und Krisenprävention" sieht der Ansatz 1,4 Milliarden Euro vor und liegt damit leicht unter dem Niveau für dieses Jahr.

📉 Die "Leistungen an die Vereinten Nationen und im internationalen Bereich" sollen mit rund 961 Millionen Euro um rund 84 Millionen Euro geringer ausfallen als im laufenden Jahr.



Jamila Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte Kürzungen der Mittel für die humanitäre Hilfe gegenüber 2024 um 1,2 Milliarden - "und das in einer Weltlage, die das Gegenteil verlangt". Mehr als 130 Millionen Menschen seien auf der Flucht und mehr als 500 Millionen Menschen seien auf humanitäre Hilfe angewiesen. "Da passt etwas nicht zusammen." Schäfer ging auch auf die Lage in Gaza ein, wo sich eine "humanitäre Katastrophe historischen Ausmaßes" abspiele. Humanitäre Hilfe dürfe niemals blockiert werden, weder von der Terrororganisation Hamas noch von der Netanjahu-Regierung.

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Sascha Wagner (Die Linke) monierte nach einem "humanitärem Kahlschlag" im Haushalt 2025 nun weitere Kürzungen etwa für die Leistungen an die Vereinten Nationen und weitere internationale Organisationen und bei der Sicherung von Frieden und Stabilität. "Das ist ein verheerendes Signal, denn das Gebot der Stunde heißt: Mehr statt weniger internationale Zusammenarbeit." Kritik übte Wagner an einer aus seiner Sicht völlig falschen Prioritätensetzung: "Für Panzer und Waffen gibt es unbegrenzte Milliarden, für Diplomatie und humanitäre Hilfe bleiben Brotkrumen."

Jürgen Hardt (CDU) machte mit Blick auf die Lage in Nahost deutlich, dass eine staatliche Anerkennung Palästinas erst am Ende eines Prozesses stehen könne: Nach einem Waffenstillstand und der Freilassung der Geiseln durch die Hamas, einer Verwaltung Gazas ohne die Hamas und nach Verhandlung einer Zweistaatenlösung unter fairen Bedingungen für Israel und Palästina. Manche Länder, die nun "vollmundig" die Anerkennung Palästinas vollzogen hätten - "ein symbolischer Akt ohne konkrete Auswirkungen" - sollten sich an Deutschland ein Beispiel nehmen und mehr Mittel für die Palästinensische Autonomiebehörde bereitstellen, sagte Hardt.

Vier Linken-Abgeordnete werden des Saales verwiesen

Für eine kurzzeitige Unterbrechung sorgten in der Debatte vier Abgeordnete der Fraktion Die Linke, die die palästinensische Fahne im Plenum in die Höhe hielten und dafür von Bundestagsvizepräsidentin Josephine Ortleb (SPD) des Saales verwiesen und von der weiteren Teilnahme am Sitzungstag ausgeschlossen wurden. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) verteidigte tags darauf vor dem Einstieg in die weiteren Haushaltsberatungen diese Entscheidung. "Wer Plakate, Fahnen und Rufe braucht", könne diese auf der Straße zeigen. Im Bundestag sei dies aber nicht erlaubt. Sie behalte sich "bei weiterer Zuwiderhandlung" einen längeren Sitzungsausschluss oder Ordnungsgelder vor.