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Justiz-Etat : Die Zahlen hinter den Zahlen

Die schwarz-rote Koalition will schärfer gegen häusliche Gewalt vorgehen. Zudem setzen Union und SPD auf einen neuen Pakt für den Rechtsstaat.

26.09.2025
True 2025-09-26T14:57:38.7200Z
5 Min

Mehr als 260.000 Menschen sind im vergangenen Jahr Opfer häuslicher Gewalt geworden, erneut mehr als im Jahr zuvor. Diese Zahlen des Bundeskriminalamtes machte die "Welt" im August öffentlich. Meist handelt es sich um Gewalt in Partnerschaften, überwiegend sind die Partner die Täter, die Partnerin das Opfer. Ungefähr jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch die Gewalt ihres Partners oder Ex-Partners.

Foto: picture alliance/dpa/Arne Dedert

Die elektronische Fußfessel soll Frauen künftig auch in Deutschland vor gewalttätigen Männern schützen.

Zahlen wie diese spielten in der Debatte zum Etat von Bundesministerin Stefanie Hubig (SPD) am Donnerstag eine große Rolle. Weniger prominent wurde über die Zahlen im Einzelplan des Justiz- und Verbraucherschutzministeriums gesprochen. 

Das hat fast schon Tradition. Mit geplanten Ausgaben von 1,2 Milliarden Euro ist der Einzelplan 07 mit Abstand der kleinste eines Ministeriums und macht gerade einmal 0,22 Prozent des Gesamthaushalts aus. Mehr als die Hälfte - 687 Millionen Euro - soll für das Personal im Ministerium, im Bundesamt für Justiz, im Deutschen Patent- und Markenamt, bei diversen Bundesgerichten und bei der Generalbundesanwaltschaft verausgabt werden. Mehr als ein Viertel der Ausgaben (308 Millionen Euro) fließen zudem als sächliche Verwaltungsausgaben. Gegenüber dem Vorjahr ist der Ansatz quasi unverändert, im Rahmen der Haushaltsberatungen dürfte der im Entwurf noch nicht veranschlagte Verbraucherschutz aus dem Umwelt-Etat rüberwandern.

Elektronische Fußfessel soll Opfer vor Gewalttätern schützen

So wenig die Ministerin mit ihrem Verwaltungshaushalt also finanzielle Impulse setzen kann, so sehr setzt sie auf die Gesetzgebung. Rechtspolitische Vorhaben stellte sie daher in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen und dabei - neben mietrechts- und verbraucherschutzpolitische Vorhaben - insbesondere den Schutz von Frauen vor Gewalt. "Das sind schockierende Zahlen", sagte Hubig bezüglich der häuslichen Gewalt. "Wir müssen uns darum kümmern, und wir werden uns darum kümmern."


Porträt von Stefanie Hubig
Foto: Bundesregierung/Sandra Steins
„Menschen, die Gewalt ausüben, müssen sich verändern.“
Justizministerin Stefanie Hubig (SPD)

Konkret setzt die Koalition auf die elektronische Fußfessel. Mit ihr soll der Aufenthaltsort von Gewalttätern bestimmt werden können und im Fall der Fälle neben der Polizei auch das Opfer gewarnt werden. Einen entsprechenden Referentenentwurf hatte Hubigs Haus Ende August veröffentlicht. Vorbild für das Vorhaben ist Spanien. "Dort, wo die elektronische Fußfessel angeordnet worden ist, wo Täter sie tragen, wo Opfer gewarnt werden, dort passieren keine Femizide mehr", argumentierte die Ministerin in der Debatte. Vorgesehen ist auch die Verpflichtung zu Anti-Gewalttrainings. "Menschen, die Gewalt ausüben, müssen sich verändern", so die Sozialdemokratin.

Hubig kündigte an, mit gesetzlichen Änderungen auch die Einschränkung der Sorge- und Umgangsrechte von Gewalttätern in Familien zu ermöglichen. Zudem hob sie die Bedeutung der psychosozialen Prozessbegleitung hervor und warb dafür, wie im Haushalt des laufenden Jahres, für 2026 Geld für entsprechende Modellprojekte zur Verfügung zu stellen.

Union will IP-Speicherpflicht zum Schutz der Kinder

Günter Krings (CDU) nannte Gewalt gegen Frauen eines der "bedrückendsten Probleme unserer Gesellschaft". Die Einführung der Fußfessellösung begrüßte Krings ausdrücklich, mahnte aber dazu, das Gesetz so praktikabel zu fassen, “dass es effektiv funktioniert und dass unsere Gerichte nicht davon abgehalten werden, dieses neue Werkzeug auch in der Praxis zu nutzen”.

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Der Christdemokrat betonte, dass auch der Schutz der Kinder ganz oben auf der Agenda der Rechtspolitik stehen müsse. Konkret forderte Krings die von der Union lange herbeigesehnte und im Koalitionsvertrag verankerte Einführung einer Speicherpflicht für IP-Adressen. Die Hoffnung: Wenn Ermittler auf diese Daten zugreifen, können sie effektiver gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder im Netz vorgehen. Dass seit Jahren eine Speicherpflicht fehle, sei "die traurigste und zugleich skandalöseste Schutzlücke in unserer Rechtsordnung", klagte Krings.

Es ging aber auch ums Geld. Mit 450 Millionen Euro soll in den nächsten Jahren ein neuer Pakt für den Rechtsstaat zwischen Bund und Ländern mobilisiert werden. Geplant ist eine Unterstützung der Länder beim Personal im Justizbereich sowie eine Fortführung der Digitalisierungsinitiative. Für Letzteres sind im Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität bereits 210 Millionen Euro vorgemerkt, die zwischen 2027 und 2029 jeweils in Tranchen von 70 Millionen Euro fließen sollen. "Dieser neue Pakt für den Rechtsstaat ist mit den Ländern in Vorbereitung. Er kommt im Herbst", kündigte die Ministerin an.


Günter Krings im Porträt
Foto: DBT/Thomas Imo/photothek
„Wenn wir den Mut haben, auch die Verfahrensgesetze anzupacken, werden wir mit dem Rechtsstaatspakt verlorenes Vertrauen in unseren Staat zurückgewinnen können.“
Günter Krings (CDU)

Wie auch Hubig machte Christdemokrat Krings deutlich, dass der Pakt von Verfahrensreformen begleitet werden müsse. Nicht alle Probleme im Justizbereich ließen sich mit Geld lösen, so der Abgeordnete. "Wenn wir den Mut haben, auch die Verfahrensgesetze anzupacken - aber auch nur dann -, werden wir mit dem Rechtsstaatspakt verlorenes Vertrauen in unseren Staat zurückgewinnen können", sagte er.

Vonseiten der Opposition gab es für die groben Linien der vorgestellten Vorhaben Unterstützung, im Detail aber teils harte Kritik. Linken-Haushälter Dietmar Bartsch verwies darauf, dass sich auf den Schreibtischen der Justiz eine Million unerledigte Fälle türmten, allein in Nordrhein-Westfalen 460 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte fehlten und die Überlastungsquote laut Richterbund bei 141 Prozent liege. "Ich weiß, dass die Länder hier Verantwortung tragen; aber der Bund trägt eine Mitverantwortung", sagte Bartsch. Es gehe aber um den Schutz der Institutionen und die Sicherung des Zusammenlebens der Bürgerinnen und Bürger. "Sie müssen sich darauf verlassen können, dass der Rechtsstaat in unserem Land funktioniert."

AfD: Bürger leiden unter "laxer Justiz"

Mirco Hanker (AfD) sagte, er spreche als Abgeordneter für die vielen, "die leider unter einer laxen Justiz leiden". Hanker verwies auf die laut Polizeilicher Kriminalstatistik steigenden Gewaltdelikte. "Es ist Zeit, dass den hohen Ausgaben endlich eine bessere Justiz folgt, die spürbare Strafen schnell auf die oftmals menschenverachtenden Taten folgen lässt", forderte der Abgeordnete. Er drückte grundsätzliche Unterstützung für Reformvorhaben im Prozessrecht aus, etwa bei Onlineverfahren in der Zivilgerichtsbarkeit, und schlug eine auch KI-unterstützte Erweiterung auf Verkehrsgerichtsprozesse bis hin zu Asylverfahren vor.

Für die Grünen äußerte ihre Abgeordnete Lena Gumnior vor allem scharfe Kritik an den rechtspolitischen Vorstellungen der Union. Diese setze auf Strafrecht als Allheilmittel. "Das ist zwar wissenschaftlich Quatsch, sieht aber erst mal nach Machen aus", meinte Gumnior. Im Zusammenhang mit dem Schutz von Frauen vor Gewalt forderte sie, stärker in strukturelle Prävention und Frauenhäuser zu investieren. Der Union warf sie dabei vor, den Schutz von Frauen nicht ernst zu nehmen. Zur Begründung führte sie die aktuelle Debatte um eine strafrechtliche Regelung zum sogenannten Catcalling an, also verbalen Belästigungen mit sexuellem Bezug im öffentlichen Raum. Die Diskussion zeige, wie egal der Union "jede Form von Gewalt an Frauen" sei. Entsprechende Vorschläge aus der SPD waren in den vergangenen Tagen auf Widerspruch aus der Unionsfraktion gestoßen.

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