Bundeswehr : Schulden für die Sicherheit Deutschlands
Die Verteidigungsausgaben steigen 2025 auf rund 86 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr sollen es bereits 108 Milliarden sein.
Mit 86,37 Milliarden Euro steigen Deutschlands Verteidigungsausgaben in diesem Jahr auf einen neuen historischen Höchststand seit dem Ende des Kalten Krieges. Da fällt es kaum ins Gewicht, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages während seiner Beratungen den ursprünglichen Regierungsentwurf für den Wehretat unter dem Strich um rund 124 Millionen gekürzt hatte. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) stehen somit 62,31 Milliarden Euro im regulären Verteidigungsetat zur Verfügung, weitere 24,06 Milliarden Euro fließen aus dem Sondervermögen Bundeswehr.

Soldaten der Bundeswehr üben mit einem schultergestützten Störsender die Abwehr von Drohnen. Der Störsender soll die Verbindung zwischen der Drohne und ihrem Bediener unterbrechen.
Gegenüber 2024 wachsen die Verteidigungsausgaben um 14,74 Milliarden an. Im kommenden Jahr, so führte der Außen- und Verteidigungspolitiker Norbert Röttgen (CDU) in der Debatte über den Wehretat aus, würden die Ausgaben bereits auf 108 Milliarden steigen und bis 2029 sollen schließlich gar 150 Milliarden Euro für die Landesverteidigung aufgebracht werden.
Mittel aus dem Sondervermögen sind bis 2027 ausgegeben
Möglich ist der massive Anstieg der Verteidigungsausgaben zum einen durch das 2022 aufgelegte Sondervermögen Bundeswehr in Höhe von hundert Milliarden Euro und die vom Bundestag noch zum Ende der vergangenen Legislaturperiode beschlossene sogenannte Bereichsausnahme bei der Schuldenbremse für die Verteidigungsausgaben. Von dieser wird die Bundesregierung spätestens ab 2027 großzügig Gebrauch machen müssen, um die angestrebten Ziele zu erreichen, da dann die Mittel aus dem Sondervermögen vollständig ausgegeben sein werden.
Röttgen betonte denn auch, dass Verteidigungsausgaben nur durch die aktuelle Bedrohungslage zu rechtfertigen seien: "Unsere nationale Sicherheit wird durch Russland bedroht, und zwar durch dessen Bereitschaft, zum Mittel des Krieges zu greifen, wie wir es in der Ukraine sehen." An diesem Punkt weiß Röttgen neben dem Koalitionspartner SPD auch Bündnis 90/Die Grünen an seiner Seite. Andreas Schwarz (SPD) und Sebastian Schäfer (Grüne) verwiesen auf die Verletzungen des polnischen und rumänischen Luftraums durch russische Drohnen in den vergangenen Wochen. Die Sicherheitslage sei seit der ersten Lesung des Bundeshaushaltes "leider noch schwieriger geworden", sagte Schäfer. Die Bereichsausnahme bei der Schuldenbremse ermögliche es jetzt, "schnell die notwendigen Investitionen in unsere Sicherheit bezahlen zu können".
Die Nato fordert 3,5 Prozent des BIP für Militärausgaben
In der AfD-Fraktion hält man hingegen eine andere Argumentation bereit. Die schuldenfinanzierten Verteidigungsausgaben, so monierte Thomas Ladzinski (AfD), würden vor allem deshalb so stark anwachsen, weil Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) "gern der Klassenprimus in der Nato sein möchte" und das ausgegebene Ziel von 3,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes für Militärausgaben bereits 2029 und nicht, wie vereinbart, erst 2035 erreichen wolle. Die daraus resultierende "Schuldenorgie" führe "zur Handlungsunfähigkeit kommender Regierungen" und zur "Destabilisierung" Deutschlands.
„Unsere nationale Sicherheit wird durch Russland bedroht, und zwar durch dessen Bereitschaft, zum Mittel des Krieges zu greifen, wie wir es in der Ukraine sehen.“
Ganz ähnliche Töne waren aus der Linksfraktion zu vernehmen. Der Verteidigungsetat sei "maßlos" und "legt die Axt an den Sozialstaat", befand Dietmar Bartsch (Linke). Auch der Bundesrechnungshof moniere, dass es "dauerhaft einen unbegrenzten, schuldenbasierten Spielraum zur Finanzierung der Bundeswehr gebe". Dies könne so nicht bleiben, die Rüstung müsse aus dem Kernhaushalt finanziert werden, befand Bartsch.
Kritik am Beschaffungswesen und der Rüstungsindustrie
Besonders profitieren von den steigenden Ausgaben soll vor allem die Beschaffung militärischer Ausrüstung für die Bundeswehr. Einschließlich der Mittel aus dem Sondervermögen sind hierfür 32,3 Milliarden Euro eingeplant. Weitere 6,8 Milliarden fließen in den Erhalt des vorhanden Materials der Truppe. Von Seiten der Opposition wird allerdings bezweifelt, dass das viele Geld auch vernünftig eingesetzt wird. Der Bundestag, so kritisierte der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rüdiger Lucassen, habe seit 2022 ohne konzeptionelle Grundlage 324 Beschaffungsvorhaben gebilligt. Die Bundesregierung beschaffe für die Truppe "alles, was die Industrie anbiete", eine Priorisierung aber werde nicht vorgenommen, befand er.
Auch Bartsch beklagte "Missmanagement und Rüstungsfilz" im Beschaffungswesen. Von 13 aus dem Sondervermögen finanzierten Beschaffungsvorhaben würden elf mit Verspätung realisiert werden. Auch das Waffensystem Skyranger zur Drohnenabwehr werde erst mit zwölf bis 16 Monaten Verspätung an die Truppe ausgeliefert.
„Wer Milliardenaufträge annimmt, muss auch pünktlich liefern, verlässlich und in der zugesagten Qualität.“
Verzögerungen und Preissteigerungen bei Beschaffungsvorhaben sind seit Jahren ein Ärgernis und werden immer wieder angemahnt. Politik und Industrie schieben sich meist gegenseitig die Verantwortung dafür zu. "Wer Milliardenaufträge annimmt, muss auch pünktlich liefern, verlässlich und in der zugesagten Qualität", mahnte Sozialdemokrat Schwarz. Auch der CDU-Abgeordnete Andreas Mattfeldt forderte die Rüstungsindustrie auf, ihre Kapazitäten hochzufahren. Im Verteidigungsfall müsse das Material "vom Band laufen".
Massive Kritik übte die AfD-Fraktion zudem an der Unterstützung der Ukraine. Die Bundesregierung, so führte Thomas Ladzinski an, habe sich in einem Haushaltsvermerk im "Kleingedruckten" einen "Blankoscheck" geben lassen, bestelltes militärisches Gerät an die Ukraine abzugeben. Dies schade der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands. Wenn die Regierung vom Bundestag bewilligtes Gerät für die Bundeswehr an die Ukraine umleite, dann werde der parlamentarische Wille ignoriert, befand sein Fraktionskollege Lucassen. Ein solches Vorgehen sei "verfassungswidrig". Ebenso sei die Finanzierung deutscher Waffen für die Ukraine über den Einzelplan 60 des Bundeshaushaltes abzulehnen, sagte Lucassen.
Bei den Grünen sieht man dies jedoch völlig anders. Sebastian Schäfer verwies darauf, dass seine Fraktion die Bereichsausnahme bei den Verteidigungsausgaben vor allem gebilligt habe, um die Ukraine finanziell zu unterstützen. Während aber der Verteidigungshaushalt in den kommenden Jahren immer weiter erhöht werden soll, seien für die Ukraine konstant nur neun Milliarden Euro eingeplant. Das Verteidigungsministerium aber beziffere den Bedarf der Ukraine allein im kommenden Jahr auf 15 Milliarden, sagte Schäfer.
Aufstockung der Truppenstärke und Bau von Kasernen
Neben den Erhöhungen der Mittel für militärische Beschaffungen steigen auch die Personalkosten der Bundeswehr und die Ausgaben für die Unterbringung ihrer Soldaten deutlich an. Die Personalkosten für Soldaten und Zivilangestellte schlagen in diesem Jahr mit 23,47 Milliarden Euro zu Buche, gegenüber dem Vorjahr ist dies rund eine Milliarde Euro mehr. Um weitere rund zwei Milliarden Euro auf insgesamt 9,79 Milliarden Euro werden die Mittel für den Erhalt, die Sanierung und den Neubau von Kasernen und anderen militärischen Liegenschaften sowie deren Bewirtschaftung erhöht. "Wer junge Menschen für die Truppe gewinnen will, muss ihnen moderne Bedingungen bieten", betonte SPD-Politiker Schwarz.
Nach den Plänen von Verteidigungsminister Boris Pistorius soll die Bundeswehr in den kommenden Jahren von aktuell rund 182.000 auf 260.000 aktive Soldaten aufgestockt werden. Hinzu kommen sollen 200.000 Reservisten. Um deren Unterbringung zu gewährleisten, müsse vom Ministerium ein Konzept für die Verdichtung und Erweiterung von Standorten vorgelegt werden, forderte Andreas Mattfeldt.
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