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Finanzminister Klingbeil bringt Haushalt ein : Milliardenschwere Wette auf die Zukunft

Für ihre Investitions-Offensive will die Koalition tief in die roten Zahlen gehen. Die AfD spricht von einem "Amoklauf", Grüne und Linke sehen eine verpasste Chance.

10.07.2025
True 2025-07-11T15:46:55.7200Z
3 Min

Die Bundesregierung geht in die Vollen: Mit den noch vom alten Bundestag beschlossenen Grundgesetzänderungen - einer Lockerung der Schuldenbremse sowie einem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität - im Rücken setzen Union und SPD auf eine Investitions- und Aufrüstungsoffensive. So wollen sie das Land wirtschaftlich flottmachen und für die sicherheits- und geopolitischen Herausforderungen der Zeit wappnen. Die Wette der Koalition: Wenn die Wirtschaft wieder anspringt, dann steigen auch die Einnahmen.

Foto: picture alliance/dpa

Schulden für Wachstum: Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) setzt auf milliardenschwere Investitionen.

Das hat zunächst seinen Preis: Auf 847 Milliarden Euro taxiert die neue Bundesregierung die dafür notwendige Neuverschuldung zwischen 2025 und 2029. So werden alle Ausgaben aus dem Sondervermögen komplett über Schulden finanziert, im Kernhaushalt wird vor allem die massive Ausweitung der Verteidigungsausgaben bis 2029 neue Kredite notwendig machen.

Finanzminister Klingbeil freut sich über Rekordinvestitionen

Angesichts dieser Summen wunderte es nicht, dass sich Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in der Generalaussprache am Mittwoch und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) am Dienstag harten Anwürfen aus der Opposition ausgesetzt sahen. Linke und Grüne kritisierten vor allem die Schwerpunktsetzung der neuen Bundesregierung, die AfD sieht die hohe Neuverschuldung als das Kernproblem.

Der Finanzminister und Vizekanzler sah das bei der Einbringung des Haushaltsentwurfes 2025 anders. "Wir gehen jetzt das an, was jahrelang in unserem Land vernachlässigt wurde", sagte Klingbeil. Mit den Grundgesetzänderungen seien die Fesseln endlich gelöst worden. Allein in diesem Jahr würden aus dem Haushalt und den Sondervermögen 115 Milliarden Euro für Investitionen bereitgestellt: "Wir investieren so stark wie noch nie zuvor in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes." Der Sozialdemokrat betonte, dass neben Investitionen auch Strukturreformen nötig seien. Zudem fahre die Bundesregierung im Haushalt einen Konsolidierungskurs.

Der Haushalt 2025 im Überblick

Der Bund soll laut Entwurf in diesem Jahr 503 Milliarden Euro ausgeben. Rund 323 Milliarden Euro sind für Zuweisungen und Zuschüsse vorgesehen, 63 Milliarden Euro sind als Investitionen veranschlagt. 

421 Milliarden Euro sind im Etatentwurf als Einnahmen ausgewiesen. Die Bundesregierung schätzt, dass sie im laufenden Jahr rund 387 Milliarden Euro im Steuersäckel finden wird. 

Um Einnahmen und Ausgaben im Haushalt auszugleichen, ist eine Kreditaufnahme von rund 82 Milliarden Euro geplant. Hinzu kommen die Kredite im Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität (37 Milliarden Euro) und dem Sondervermögen Bundeswehr (24 Milliarden Euro).



Diesen Kurs vermochte Michael Espendiller für die AfD-Fraktion nicht zu erkennen. Der haushaltspolitische Sprecher warf Klingbeil und der Regierung vielmehr einen "finanzpolitischen Amoklauf" vor, dem sich nur die AfD entgegenstelle. "Dieser Schuldenberg ist nicht alternativlos", meinte er und forderte, bei den Ausgaben zu kürzen.

Die AfD nutzte die Haushaltswoche auch dazu, der Union vorzuwerfen, ihre haushaltspolitischen Grundsätze über Bord geworfen zu haben. Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) begründete den Kurswechsel der Union mit den geopolitischen Umständen und der Notwendigkeit, die Infrastruktur wieder auf Vordermann zu bringen. Allerdings sei die damit einhergehende Neuverschuldung eine "große Hypothek" für das Land. Mit der Kreditaufnahme habe man "Zeit gekauft", um strukturelle Reformen anzugehen, mahnte Middelberg.

Grüne kritisieren "Wahlgeschenke ohne Zukunftsrendite"

Aus Sicht der Grünen, die mit ihren Stimmen im 20. Bundestag den Weg für die Grundgesetzänderung freigemacht hatten, sind Union und SPD allerdings gerade dabei, eine "historische Chance" zu verpassen. Der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion, Sebastian Schäfer, kritisierte unter anderem, dass die Koalition bestehende Programme in das neue Sondervermögen verschiebe, um im Kernhaushalt Platz für "Wahlgeschenke ohne Zukunftsrendite" zu schaffen, statt tatsächlich in die Zukunft des Landes zu investieren.

In eine ähnliche Richtung argumentierte für die Linke Dietmar Bartsch. Er kritisierte - wie auch AfD und Grüne -, dass die Bundesregierung ihr Versprechen bei der Stromsteuersenkung für alle gebrochen habe. Der Haushalt bringe nichts für den sozialen Zusammenhalt und sei auch kein Motor für Wachstum. Als "Wahnsinn" bezeichnete der haushaltspolitische Sprecher seiner Fraktion die steigenden Verteidigungsausgaben: "Die Kinder und Enkel werden die Panzer und Raketen noch abstottern, wenn das längst Metallschrott ist."

Über die Sommermonate sind nun die Haushälter am Zug, ihre Duftmarken im Etatentwurf zu setzen. Im September soll dann der Haushalt für dieses Jahr verabschiedet werden - und unmittelbar danach der Haushalt 2026 beraten werden.

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