
Generaldebatte im Bundestag : Hoffnung auf den Aufschwung
Kanzler Merz sieht erste Anzeichen für eine konjunkturelle Erholung. In der Generaldebatte zum Haushalt 2025 musste er vor allem mit Provokationen der AfD umgehen.
Die schlechten Nachrichten hatten sich bis vor kurzem noch überschlagen: Schließungen von Stahl-Standorten, aufgebende Mittelständler, Arbeitsplatzabbau allenthalben und eine Rekordzahl von Firmenzusammenbrüchen. Aber auf einmal ändert sich das Bild: Der Geschäftsklimaindex des Münchener Ifo-Instituts ist seit dem Tiefpunkt im Dezember 2024 Monat für Monat gestiegen. Die Deutsche Bank hob ihre Konjunkturprognose für 2026 auf 1,5 Prozent an.
Das heißt: Schrumpfung und Nullrunden könnten bald vorbei sein. Und schon hellt sich die Stimmung in der Wirtschaft auf, über die der Begründer der sozialen Marktwirtschaft und Bundeskanzler Ludwig Erhard zu sagen pflegte: "Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie." Ein später Nachfolger von Erhard, Friedrich Merz (CDU), nutzte diesen Funken Hoffnung nur zu gerne aus, um am Mittwoch bei der Generaldebatte im Bundestag ein positives Lagebild zu zeichnen und Kritiker deutlich in die Schranken zu weisen. Man befinde sich zwar im dritten Jahr ohne Wachstum, aber erstmals seit Jahren würden die Prognosen nicht mehr gesenkt, sondern angehoben. Merz: “Die Stimmung wird besser.”
Mit dem Haushalt 2025 und dem Finanzplan bis 2029 seien erste Grundlagen für Wachstum gelegt worden, erklärte Merz. Mit dem nächsten Haushalt werde ein weiterer Grundstein für erhebliche Investitionen gelegt. Damit habe die Bundesregierung die Wende in der Wirtschaftspolitik eingeleitet. Über zehn Milliarden Euro an Entlastungen gebe es für Familien und Unternehmen bei den Energiekosten. Merz kündigte auch Maßnahmen zur Entbürokratisierung an. Zur wachsenden Staatsverschuldung, die ihm besonders von der AfD angekreidet wurde, sagte Merz: "Wir entscheiden uns für diesen Weg, weil es nur so möglich ist, dass wieder investiert wird, dass Arbeitsplätze erhalten werden und neue Arbeitsplätze entstehen." Die Wirtschaft werde spürbar entlastet durch Abschreibungen. Davon sage die Vorsitzende der AfD, Alice Weidel nichts, befand der Kanzler.
AfD kritisiert den Teil-Verzicht bei der Stromsteuersenkung
Weidel hatte den Bundeskanzler zuvor heftig angegriffen, ihn wegen der massiven Schuldenaufnahme und des Verzichts auf die Stromsteuer-Senkung für Privathaushalte scharf kritisiert und sogar als "Lügenkanzler" bezeichnet, weil er im Wahlkampf versprochen habe, an der Schuldenbremse festzuhalten. "Ihr Wort ist nichts wert. Sie sind ein Papierkanzler, der im Ausland Weltmacht spielt, sich aber zu Hause nach Lust und Laune vom Wahlverlierer SPD vorführen lässt."
Seine Kanzlerschaft werde als größter Wahlbetrug in die Geschichte eingehen. Merz befinde sich auf Realitätsflucht durch die Hauptstädte und Gipfel dieser Welt, kritisiere Weidel. Derweil befinde sich Deutschland im Sinkflug, obwohl der Kanzler einen Neuanfang versprochen habe. Er setze aber die Politik der früheren Ampel-Koalition nahtlos fort.

„Halbwahrheiten, üble Nachrede und persönliche Herabsetzungen muss auch in einer Demokratie niemand unwidersprochen hinnehmen.“
Weidel kritisierte auch die angekündigten, aber noch nicht erfolgten Änderungen beim Bürgergeld: Fast jeder zweite Bürgergeld-Bezieher sei ausländischer Staatsbürger. "Migrantengeld wäre die richtige Bezeichnung." Merz habe eine Reduzierung versprochen, aber Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) lege nochmals fünf Milliarden drauf.
Die Grenzkontrollen seien mangelhaft, kritisierte Weidel. Importiert werde eine hohe Kriminalitätsbelastung bestimmter Bevölkerungsgruppen, "die Sie so nie mehr loswerden". Das Land sei in eine "Hochrisikozone für die einheimischen Bürger" verwandelt worden. Die Koalition tue nichts, um das zu ändern. 80 Messerattacken pro Tag habe es im Jahr 2024 geben. Täter seien in überproportionalem Maße Syrer oder Afghanen, die nie hätten hereinkommen dürfen und schon längst wieder hätten gehen müssen.
Bundeskanzler Merz weist AfD-Kritik scharf zurück
Merz hatte die "pauschale und undifferenzierte Herabwürdigung der Arbeit der Bundesregierung" durch Weidel strikt zurückgewiesen: Zwar müsse sich eine Regierung in einer parlamentarischen Demokratie selbst überzogene und maßlose Kritik anhören. "Aber Halbwahrheiten, üble Nachrede und persönliche Herabsetzungen muss auch in einer Demokratie niemand unwidersprochen hinnehmen", so der Kanzler.
Die Arbeit der Regierung habe seit Anbeginn im Zeichen der Angriffe Russlands auf die Ukraine gestanden. Auch davon habe er von Weidel jedoch kein Wort gehört. Die AfD-Vorsitzende habe auch kein Wort zu internationalen Vereinbarungen und Verpflichtungen gesagt. Deutschland brauche Partner auf der Welt und vor allem in Europa. "Wenn wir AfD und Linkspartei gefolgt wären, dann wäre die Nato wahrscheinlich im 70. Jahr unserer Mitgliedschaft auseinandergebrochen."
Grüne sprechen von “unfassbarem Rückschritt” beim Klimaschutz
Die Ukraine werde weiter unterstützt, auch gegen den Widerstand der politischen Linken und der russlandfreundlichen Rechten. Er tue dies, um Frieden, Freiheit und Wohlstand in diesem Lande zu sichern, argumentierte Merz.

Alice Weidel (AfD) eröffnete die Generaldebatte. Sie kritisierte die Politik der Koalition und bezeichnete Friedrich Merz als "Lügenkanzler".
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge erklärte, noch keine Koalition zuvor habe über so viel Geld verfügen können - "und Sie kriegen es trotzdem nicht hin". Bestes Beispiel sei die nicht realisierte Absenkung der Stromsteuer, was für alle Unternehmen und für Familien wichtig gewesen wäre. Merz habe hier wieder sein Wort gebrochen. Die CDU stehe in der Koalition da wie ein "unsortierter Hühnerhaufen". Beim Klimaschutz gebe es "unfassbaren Rückschritt". Die Regierungspolitik sei eine klimapolitische Bankrotterklärung. Außerdem warf sie Merz vor, sich nicht für den Schutz queerer Menschen einzusetzen.
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch warf Weidel vor, eine "hasserfüllte Rede" gehalten zu haben. Ihre Äußerungen seien ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen mit Migrationshintergrund. Die Rede von Weidel habe gezeigt, dass es ein AfD-Verbotsverfahren geben müsse. Zur Regierungspolitik sagte Miersch, das Investitionsprogramm komme allen zugute: "Das ist gelebte Solidarität." Er unterstrich auch die Bedeutung des bezahlbaren Wohnraums, dessen Schaffung massiv unterstützt werde.
Linke wendet sich gegen höhere Verteidigungsausgaben
Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek nannte die Militarisierung ein Spiel mit dem Feuer. Das mache ihre Partei nicht mit. Sozialleistungen würden gekürzt. Jeder Cent, der in Rüstung fließe, fehle an derer Stelle. "Das ist ein Skandal." Und das Geld, was noch übrige bleibe, werde von unten nach oben verteilt. Für die Stromsteuersenkung sei kein Geld da. Die Menschen würden mit dem Bundeshaushalt im Stich gelassen, kritisierte Reichinnek. Zur Migrationspolitik sagte sie, man könne Rechtsextreme nicht mit rechtsextremer Politik bekämpfen.
Für Merz war der Tag im Bundestag mit der Generaldebatte noch nicht zu Ende. In der Regierungsbefragung stellte er sich Fragen, zum Beispiel des SPD-Abgeordneten Sebastian Roloff nach der Situation der Stahlindustrie aufgrund hoher Energiepreise. Merz stellte fest, er wolle Deutschland nicht abhängig von Stahlimporten sehen. Einen "Stahlgipfel" könne man machen, wenn es Ergebnisse gebe: “Ich will eine Lösung.”
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