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Motoren des Parlaments : Bundestag setzt 24 ständige Ausschüsse ein

Nächste Woche werden sich die Ausschüsse konstituieren. In ihnen findet die Arbeit an Gesetzentwürfen statt. Streit dürfte es um die Posten der Vorsitzenden geben.

15.05.2025
True 2025-05-15T12:14:13.7200Z
5 Min

Das Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages in Berlin ist ein imposanter Bau. Steht man mitten in der weitläufigen, lichtdurchfluteten Halle des 200 Meter langen, 23 Meter hohen und bis zu 102 Meter breiten Gebäudes, fällt der Blick durch die Glasfassaden nach Westen auf das Bundeskanzleramt und nach Osten über die Spree auf das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Die Galerien erstrecken sich über sieben Stockwerke und sind über Treppen und vollverglaste Aufzüge zu erreichen, drei Hallenbrücken verbinden die beiden Flügel.

Fast unscheinbar wirken die acht betongrauen, siloartigen Rotunden an den Seiten. Doch in den 21 Sitzungssälen, die sich einschließlich der Besuchertribünen über mehrere Etagen in den Rotunden befinden, pulsiert vor allem mittwochs in Sitzungswochen das parlamentarische Leben. Wer das Arbeitsparlament Bundestag sucht, wird hier fündig: Abgeordnete und ihre Mitarbeiter eilen zu Sitzungen, Delegationen aus den Ministerien warten auf ihren Tagesordnungspunkt, Sachverständige auf Anhörungen; der Saaldienst sorgt dafür, dass sich die Parlamentarier in die Anwesenheitslisten eintragen und niemand unbefugt einen Saal betritt. Bei besonders brisanten Sitzungen wartet die Presse vor den Sälen auf Informationen aus den oft nicht öffentlichen Sitzungen.

Foto: picture alliance / Geisler-Fotop

Das Paul-Löbe-Haus des Bundestages: In den Rotunden befinden sich insgesamt 21 Sitzungssäle für die Ausschüsse.

An diesem Mittwoch war es im PLH, wie das Gebäude im Bundestag genannt wird, noch ruhig. Denn bevor die Ausschüsse in der noch jungen Wahlperiode ihrer Arbeit aufnehmen können, müssen sie zunächst eingesetzt und dann konstituiert werden. Ersteres geschah an diesem Donnerstag, zweiteres wird am nächsten Mittwoch passieren.

Ein Ausschuss weniger als im 20. Bundestag

24 Ausschüsse soll es nach Willen von CDU/CSU und SPD geben, den entsprechenden Antrag nahm das Parlament am Donnerstagmittag an. Damit hat der aktuelle Bundestag einen Ausschuss weniger als in der vergangenen Wahlperiode - weggefallen ist der Ausschuss für Klimaschutz und Energie.

Nicht nur die Zahl, auch die Namen und die Zuständigkeit der Ausschüsse haben sich teilweise geändert. So ist die Energiepolitik nun im Ausschuss für Wirtschaft und Energie angesiedelt, Klimaschutz ist nun Teil des Ausschusses für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit.

Grundsätzlich folgt der Zuschnitt der Ausschüsse dem Zuschnitt der Bundesministerien. Allerdings gibt es auch Ausschüsse, die sich nur mit Teilaspekten eines Ressorts oder mit Querschnittsaufgaben befassen, wie etwa der eher nischige Ausschuss für Sport und Ehrenamt oder der mächtige Haushaltsausschuss.

Vier Ausschüsse sind im Grundgesetz vorgeschrieben

Für den Petitionsausschuss gibt es bei den Ministerien überhaupt kein Pendant. Dieser Ausschuss ist - ebenso wie der Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union, der Verteidigungsausschuss und der Auswärtige Ausschuss - im Grundgesetz vorgesehen, das Parlament muss diese Gremien also - anders als die übrigen ständigen Ausschüsse - auch tatsächlich einsetzen.

Jede Fraktion entsendet Mitglieder entsprechend ihrem Stärkeverhältnis in die Ausschüsse, ein spezielles mathematisches Verfahren sorgt dafür, dass es so genau wie möglich geschieht. Fraktionslose Abgeordnete können als beratende Mitglieder in die Ausschüsse, haben dort also kein Stimmrecht. Den größten Ausschüssen, darunter der Auswärtige und der Ausschuss für Arbeit und Soziales, werden in dieser Wahlperiode 42 Mitglieder angehören; die kleinsten Ausschüsse, etwa der Ausschuss für Sport und Ehrenamt und der Ausschuss für Tourismus, haben 14 Mitglieder.

Foto: DBT / Henning Schacht

Öffentliche Sitzung des Petitionsausschusses: Die Einsetzung dieses Ausschusses ist im Grundgesetz verankert.

Die Größe der Fraktionen ist auch für die Verteilung der Vorsitzendenposten relevant. Der oder die Vorsitzende ist in Zusammenarbeit mit dem Ausschusssekretariat dafür zuständig, Sitzungen vorzubereiten, einzuberufen und zu leiten. Je nach Ausschuss kommt dem Vorsitzenden auch eine informelle, vor allem medienwirksame Repräsentationsfunktion zu, das gilt etwa für den Vorsitz im Haushalts-, Innen- oder Auswärtigen Ausschuss.

Der Einfluss der Vorsitzenden in der täglichen Arbeit ist jedoch begrenzt. Wesentliche Entscheidungen über die Sitzungen werden in der Runde der Obleute der Fraktionen im jeweiligen Ausschuss getroffen. Gibt es hier keine Einigung, beispielsweise über die kurzfristige Aufnahme oder Absetzung von Tagesordnungspunkten, wird abgestimmt. Da die Koalitionsfraktionen auch in den Ausschüssen die Mehrheit haben, können sie Vorlagen der Opposition über Monate vertagen, wenn es ihnen politisch opportun erscheint.

AfD will Ausschussvorsitze, findet aber keine Mehrheit

Seit dem Einzug der AfD in den Bundestag ist die Besetzung der Ausschussvorsitze zu einem Streitthema geworden. Bis dahin einigten sich die Fraktionen untereinander, wer in welchem Ausschuss den Vorsitz beziehungsweise den stellvertretenden Vorsitz übernimmt; in der konstituierenden Sitzung wurden dann die Posten einvernehmlich bestimmt.

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Inzwischen wird gewählt - und geklagt. In der ersten Wahlperiode war es der AfD noch gelungen, drei ihrer Abgeordneten zu Vorsitzenden wählen zu lassen. Einer von ihnen, der Abgeordnete Stephan Brandner, wurde später von den übrigen Ausschussmitgliedern wieder abgewählt. In der letzten Wahlperiode fand dann keiner der AfD-Kandidaten eine Mehrheit. Stattdessen übernahm jeweils der von einer anderen Fraktion gestellte und gewählte Stellvertreter die Aufgaben des Vorsitzenden. Klagen der AfD-Fraktion vor dem Bundesverfassungsgericht blieben erfolglos.

Auch in dieser Legislaturperiode zeichnen sich Konflikte ab. SPD, Grüne und Linke wollen keine AfD-Abgeordnete an der Spitze der Ausschüsse sehen. Auch die Union ist skeptisch, wenngleich einzelne Stimmen für einen offeneren Umgang mit Vertretern der in Teilen rechtsextremen Partei plädieren. Ob es nach der Debatte um die Höherstufung der AfD durch den Verfassungsschutz zu einer tatsächlichen Diskussion darüber kommt, wird sich in der kommenden Woche zeigen.

Nach der Konstituierung kann die inhaltliche Arbeit beginnen

Nach der Konstituierung des Ausschusses kann die inhaltliche Arbeit beginnen. In jeder Sitzungswoche finden mehrstündige Sitzungen statt, manchmal auch mehrere. Hinzu kommen Reisen und informellere Treffen außerhalb der Sitzungszeiten. Zudem können Ausschüsse auch Unterausschüsse bilden, die ebenfalls Sitzungen ansetzen.

Die inhaltlichen Themen variieren je nach Ausschuss. Üblich ist, dass sich die Mitglieder mit der Bundesregierung und Experten über aktuelle Entwicklungen austauschen und dazu Berichte anfordern. Mal geht es beispielsweise im Sportausschuss um Olympiabewerbungen, mal im Innenausschuss um die Aufklärung von Terroranschlägen. Wenn es in einem Bereich wenig Gesetzgebung gibt, machen Austausch und Fachgespräche den Schwerpunkt der Arbeit aus.

Ausschüsse spielen eine tragende Rolle in der Gesetzgebung

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Besonders wichtig ist die Rolle der Ausschüsse bei der Gesetzgebung. Entwürfe werden in der Regel an mehrere Ausschüsse überwiesen, aber nur einer ist federführend. In diesem Ausschuss findet meist die öffentliche Anhörung von Sachverständigen statt. Dort werden auch Änderungen am Gesetzentwurf beschlossen, diese Beschlussempfehlung ist dann auch entscheidend dafür, ob ein Gesetzentwurf im Plenum zur zweiten und dritten Lesung aufgerufen wird.

Wie genau die Ausschüsse ihre Arbeit handhaben, variiert. Im Rahmen der Geschäftsordnung haben sich sehr unterschiedliche Kulturen herausgebildet. In Ausschüssen wie dem Haushaltsausschuss, steht die Detailarbeit, etwa bei den Haushaltsberatungen, im Vordergrund und weniger der Austausch politischer Positionen. In anderen Ausschüssen steht dies wiederum im Vordergrund. Auch die Regeln, etwa zur Redezeit, unterscheiden sich.

Über die Öffentlichkeit entscheiden die Ausschüsse selbst

Gleiches gilt für die Öffentlichkeit. Lange Zeit tagten die Ausschüsse in der Regel nicht öffentlich, bei besonders sensiblen Themen auch geheim. Nach einer Änderung der Geschäftsordnung durch die Ampel-Koalition in der vergangenen Legislaturperiode haben aber diverse Ausschüsse die öffentliche Sitzung zum Regelfall erklärt. Ob es dabei bleibt, ist noch unklar. Zumindest die Unionsfraktion war in der Vergangenheit kein großer Freund davon.

Neben den ständigen Ausschüssen kommen in jeder Wahlperiode noch spezielle Gremien dazu. Angekündigt sind von der Regierungskoalition eine Wahlrechtskommission und eine Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie.

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