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500 Milliarden für die Infrastruktur : "Wir müssen gezielt investieren"

Der NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) warnt vor zu viel Steuerung aus Berlin: Kommunen und Länder wüssten am besten, welche Projekte vor Ort sinnvoll sind.

29.07.2025
True 2025-08-01T13:57:44.7200Z
5 Min

Herr Optendrenk, der Bund wird ein schuldenfinanziertes Sondervermögen "Infrastruktur und Klimaneutralität" über 500 Milliarden Euro auflegen, aus dem hundert Milliarden an die Länder und Kommunen fließen sollen. Brechen für Sie als Kassenwart goldene Zeiten an?

Marcus Optendrenk: Goldene Zeiten würde ich es nicht nennen. Wir stehen trotz dieser Bundesmittel vor großen Herausforderungen. Wir erleben das dritte Jahr ohne Wirtschaftswachstum in Folge. Auch deshalb müssen wir sorgfältig priorisieren, wo Investitionen tatsächlich Zukunft schaffen. Das Sondervermögen bietet Chancen - aber es ist kein Freifahrtschein für beliebige Ausgaben. Wir müssen es gezielt für Projekte nutzen, die unser Land voranbringen und zugleich solide Finanzen sichern.

Foto: Ralph Sondermann

NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk macht klar: Die Schulden von heute müssen irgendwann zurückgezahlt werden.

In welchen Bereichen brauchen Sie das Geld am dringendsten?

Marcus Optendrenk: Wir wollen das Geld aus dem Sondervermögen vor allem dort einsetzen, wo es direkt bei den Menschen ankommt und zugleich die Grundlage für die Zukunft unseres Landes legt. Das Geld muss ankommen in unseren Schulen, Kitas und Krankenhäusern, im Straßenbau und an den Universitäten. Zusätzlich müssen wir große Investitionen in die klimaneutrale Transformation unserer Industrie stemmen, damit NRW auch künftig ein starker Wirtschaftsstandort bleibt.

Inwieweit haben die Landes- und Kommunalpolitiker freie Hand bei der Verwendung der Mittel?

Marcus Optendrenk: Wir haben beim Sondervermögen immer betont: Es darf nicht zu einer zentralistischen Steuerung durch den Bund führen. Die Länder und Kommunen wissen selbst am besten, welche Projekte vor Ort sinnvoll sind. Zu viel Steuerung aus Berlin schafft nur bürokratische Monster. Wir setzen uns dafür ein, dass die Mittel zielgerichtet, aber flexibel eingesetzt werden können - ohne jeden Einzelfall bis ins Kleinste nachweisen zu müssen.

Unter Kommunalpolitikern - Sie waren früher selbst einer - gibt es die Redewendung von den klebrigen Fingern der Landesregierung, an denen Geld vom Bund hängen bleibt, das eigentlich an die Kommunen weitergereicht werden soll. Darf ich fragen, wie klebrig Ihre Finger sind?

Marcus Optendrenk: Wir müssen sicherstellen, dass die Gelder dort ankommen, wo sie den größten Nutzen stiften - oft direkt in den Kommunen, aber auch in landesweiten Projekten, die allen zugutekommen. Wir werden einen fairen Schlüssel finden, der sowohl Landesinteressen als auch die Belange der Kommunen berücksichtigt. Und wir haben ja gerade gezeigt, dass uns die Kommunen wichtig sind, indem wir durchgesetzt haben, dass der Bund ihnen die Ausfälle aus dem steuerlichen Investitionssofortprogramm zu 100 Prozent ersetzt.


„Förderprogramme müssen so ausgestaltet sein, dass alle unsere 396 Kommunen sie nutzen können.“
Marcus Optendrenk (CDU)

In NRW sind viele Kommunen, vor allem in den früheren Kohle- und Stahlregionen, überschuldet. Oft können sie sogar Fördermittel des Bundes nicht in Anspruch nehmen, weil sie den geforderten Eigenanteil nicht aufbringen können. Wird das beim Sondervermögen anders sein?

Marcus Optendrenk: Wie die Mittel aus dem Sondervermögen konkret verteilt und welche Bedingungen daran geknüpft sein werden, wird die Landesregierung nach der Sommerpause festlegen. Klar ist für mich aber: Förderprogramme müssen so ausgestaltet sein, dass alle unsere 396 Kommunen sie nutzen können. Sonst erreichen wir nicht das Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Nordrhein-Westfalen zu sichern. Gerade deshalb haben wir in Nordrhein-Westfalen auch eine Altschuldenlösung beschlossen. Das Land übernimmt künftig die Hälfte der kommunalen Kassenkredite und stellt dafür jährlich eine Viertelmilliarde Euro bereit. Damit verschaffen wir vielen Städten und Gemeinden wieder finanziellen Spielraum für eigene Investitionen.

Noch vor der Sommerpause wurde der sogenannte Investitionsbooster beschlossen, ein Gesetz zur steuerlichen Entlastung von Unternehmen. Dies wird zu Steuerausfällen bei Bund, Ländern und Kommunen führen, die der Bund den Kommunen über einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer ganz erstatten will, den Ländern aber nur teilweise. Dennoch haben sie zugestimmt. Warum?

Marcus Optendrenk: Weil wir wirtschaftlich aus dem Tal herausmüssen. Der Investitionsbooster soll Unternehmen motivieren, wieder mehr zu investieren. Das ist gerade für ein Industrieland wie NRW entscheidend. Wir haben dem Gesetz zugestimmt, weil wir das Ziel teilen, die Wirtschaft zu stärken - auch wenn es zunächst Steuerausfälle bringt. Die Zustimmung war auch ein Signal, dass wir bereit sind, unseren Beitrag für die wirtschaftliche Erholung zu leisten.

Wenn der Investitionsbooster wirkt und die Konjunktur anspringt, wollen Sie dann dem Bund etwas zurückgeben?

Marcus Optendrenk: Wirtschaftspolitik ist originäre Aufgabe des Bundes. Deshalb gilt für mich der Grundsatz: Wer bestellt, muss auch bezahlen. Wenn der Bund Programme wie den Investitionsbooster auflegt, muss er auch für die Finanzierung sorgen. Über Rückflüsse an den Bund zu diskutieren, halte ich deshalb für den falschen Ansatz. Viel wichtiger ist, dass finanzielle Verpflichtungen dort abgesichert werden, wo sie verursacht werden. Nur so bleibt der Föderalismus verlässlich und handlungsfähig.

Foto: Land NRW/Ralph Sondermann
Marcus Optendrenk (CDU)
ist seit 2012 Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen und seit 2022 Finanzminister des Landes. Er ist außerdem Vorsitzender der Finanzministerkonferenz der Länder sowie des Finanzausschusses des Bundesrates.
Foto: Land NRW/Ralph Sondermann

Noch vor dem Antritt der Regierung Merz hat der alte Bundestag eine Änderung der sogenannten Schuldenbremse im Grundgesetz beschlossen, die den Ländern Spielraum bei der Neuverschuldung verschafft. Werden Sie diesen Spielraum für Investitionen nutzen oder für sogenannte konsumptive Ausgaben wie mehr Lehrer und Polizisten?

Marcus Optendrenk: Wir gehen mit dem zusätzlichen Spielraum sehr verantwortungsvoll um. Neue Schulden sind für mich kein Selbstzweck. Aber in einer Zeit schwacher Konjunktur und gewaltiger Transformationsaufgaben müssen wir gezielt investieren, um NRW stark und wettbewerbsfähig zu halten. Aber auch mehr Lehrerinnen und Lehrer sowie Polizistinnen und Polizisten sind wichtig für die Zukunft unseres Landes. Ohne genügend Personal können wir weder Bildung noch Sicherheit gewährleisten. Alle Aufgaben sind aber immer mit klarer Priorität auf Maßnahmen gerichtet, die unser Land langfristig voranbringen.

Der Bund geht jetzt mit dem Investitions-Sondervermögen, aber auch mit den dramatisch steigenden Verteidigungsausgaben immense Verpflichtungen ein. Mit welchen Gefühlen blicken Sie angesichts dessen auf die längerfristige finanzielle Stabilität unseres Gemeinwesens?

Marcus Optendrenk: Diese Summen und Verpflichtungen sind zweifellos eine enorme Herausforderung, die wir nicht unterschätzen dürfen. Klar ist: Die Schulden von heute müssen irgendwann zurückgezahlt werden. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass wir jetzt investieren müssen, um unsere wirtschaftliche Stärke und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. Es geht darum, die richtigen Prioritäten zu setzen und dafür zu sorgen, dass Investitionen Wachstum, Beschäftigung und neue Einnahmen schaffen. Schulden dürfen kein Dauerinstrument sein. Nur wenn wir klug handeln, bleibt unser Gemeinwesen langfristig stabil und handlungsfähig.

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