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Steigende Kosten im Gesundheitssystem : Höheres Darlehen für die Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung wird im Haushalt 2026 mit einem zusätzlichen Darlehen gestützt. Die Opposition fordert entschlossene Reformen.

28.11.2025
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3 Min

Lange war unklar, wie Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) das Defizit in der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) rechtzeitig ausgleichen will, um steigende Beiträge 2026 zu verhindern. Kurz vor dem Jahreswechsel gibt es Gewissheit: Die SPV wird im Haushalt 2026 mit einem zusätzlichen Darlehen von 1,7 Milliarden Euro gestützt. Ursprünglich war ein Darlehen von 1,5 Milliarden Euro eingeplant, nun sind es insgesamt 3,2 Milliarden Euro.

Foto: picture alliance / Westend61 / HalfPoint

Die Pflegeversicherung bekommt 2026 ein milliardenschweres Darlehen, um die Beiträge stabil zu halten. Langfristig müssen Strukturreformen das System stabilisieren.

Der am Donnerstag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und gegen das Votum der Opposition beschlossene Einzelplan 15 sieht Ausgaben in Höhe von 21,77 Milliarden Euro vor. Im Vergleich zum Regierungsentwurf sind das 1,69 Milliarden Euro mehr. Daneben profitiert das Gesundheitssystem von Mitteln aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität. Allein 2026 fließen sechs Milliarden Euro aus diesem Topf für die sogenannten Soforttransformationskosten der Krankenhäuser (2,5 Milliarden Euro) und den langfristigen Transformationsfonds der Krankenhäuser (3,5 Milliarden Euro), mit dem der Strukturwandel in der Kliniklandschaft über zehn Jahre finanziert werden soll. Der Bund hat die Mittel dafür um vier Milliarden Euro auf 29 Milliarden Euro bis 2035 aufgestockt, um die Länder zu entlasten.

Sparpaket steckt im Vermittlungsausschuss fest

Unterdessen steht hinter dem unlängst vom Bundestag beschlossenen Sparpaket für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wieder ein Fragezeichen, nachdem der Bundesrat den Gesetzentwurf am 21. November in den Vermittlungsausschuss überwiesen hat. Warken rügte, dadurch gehe entscheidende Zeit verloren. Es sei ein fatales Signal, wenn schon ein kleines Sparpaket auf solchen Widerstand stoße.

In der Schlussberatung zu dem Einzeletat war die nach wie vor prekäre Finanzlage in GKV und SPV das bestimmende Thema. Die Opposition warf der Bundesregierung vor, nicht mit der nötigen Entschlossenheit an grundlegende Reformen heranzugehen und damit das Vertrauen in die Gesundheitsversorgung aufs Spiel zu setzen. Warken wies die Kritik als "wohlfeil" zurück. Das Ziel sei ein stabiles Fundament für die Versicherungen. Sie sprach von komplexen Strukturreformen mit großen Chancen und nannte die Primärarztversorgung und die Notfallversorgung. Warken forderte: “Lassen Sie uns die Herausforderungen gemeinsam angehen.”


„Wenn wir es jetzt nicht hinbekommen, brauchen wir gar nicht mehr anzufangen.“
Simone Borchardt (CDU)

Martin Sichert (AfD) warnte insbesondere vor den Folgen der geplanten Krankenhausreform. Wenn bei den Kliniken wie geplant 1,8 Milliarden Euro eingespart würden, sei mit weiteren Schließungen zu rechnen. Die Regierung treibe die Krankenhäuser reihenweise in die Insolvenz. Paula Piechotta (Grüne) monierte, wie die Bundesregierung in den vergangenen Monaten mit den Kassenfinanzen umgegangen sei, habe mit Solidität nichts zu tun und sei alles andere als vertrauenerweckend. Jedes weitere Jahr ohne grundlegende Reform werde die Defizite in GKV und SPV größer und den Spielraum kleiner machen.

Linke will das ganze Gesundheitssystem verändern

Tamara Mazzi (Linke) forderte eine Abkehr vom "Zweiklassensystem" in der Gesundheitsversorgung und die Einführung einer allgemeinen Bürgerversicherung. Dann müsse niemand mehr Angst haben vor Beitragssteigerungen.

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Lina Seitzl (SPD) räumte ein, die Zukunft von GKV und SPV verlangte der Koalition viel ab. Gebraucht würden jetzt "entschiedene strukturelle Reformen". Im Einzelplan 15 sei es gleichwohl gelungen, trotz knapper Kassen finanzielle Spielräume effizient zu nutzen. Sie nannte als Beispiel Mittel in Höhe von 11,5 Millionen Euro für ein Forschungsprogramm zur Frauengesundheit. Das sei ein Meilenstein. Frauen würden im Gesundheitssystem quasi übersehen, weil die Diagnostik auf männlichen Normwerten basiere. Dies sei ein Skandal.

Union sieht Potenzial durch mehr Prävention

Wie viele andere Redner in der Debatte forderte auch Simone Borchardt (CDU) entschlossene Reformen. Das Gesundheitssystem stehe derzeit an vielen Stellen unter Druck. "Was wir brauchen, sind richtige Reformen und nicht nur ein paar Stellschrauben." Sie warnte: "Wenn wir es jetzt nicht hinbekommen, brauchen wir gar nicht mehr anzufangen." 

Ihrer Ansicht nach beinhaltet das Gesundheitssystem ein großes Potenzial. Durch neue Strukturen und mehr Prävention könnten Milliarden Euro eingespart werden, ohne Leistungen zu begrenzen. Borchardt sagte: “Die Menschen warten auf Reformen in diesem Land. Lassen Sie uns es endlich angehen.”

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