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Generaldebatte zum Haushalt 2026 : Reformen ja, aber kein „Kahlschlag“

Bundeskanzler Friedrich Merz will die Deutschen auf Änderungen im Sozialstaat vorbereiten. Wie diese konkret aussehen sollen, ist allerdings noch unklar.

25.09.2025
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4 Min

Ein Hauch von Agenda-Geist hat am Mittwochmorgen gegen 9.15 Uhr im Plenarsaal des Deutschen Bundestags geweht. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte sich da gerade in der Generaldebatte zum Bundeshaushalt 2026 als zweiter Redner nach Tino Chrupalla (AfD), der für die Opposition die Debatte eröffnet hatte, vor dem Rednerpult positioniert. Nötig seien "grundlegende Reformen der sozialen Sicherungssysteme", erklärte Merz da. 

Anders als Gerhard Schröder (SPD) vor mehr als zwei Jahrzehnten wählte Merz aber eine vorsichtigere Formulierung, sprach nicht davon, dass seine Regierung "Leistungen des Staates kürzen" werde. Reformen sollten heute im gesellschaftlichen Konsens erfolgen. "Wir brauchen ein Verständnis für die Unausweichlichkeit für Veränderungen", sagte Merz und bezog sich auf die demografische Entwicklung.

Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

Planen Reformen am Sozialstaat: Bundeskanzler Friedrich Merz (r., CDU) und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD).

Er plane aber keinen "Kahlschlag", sondern: "Das Ziel der Reformen ist nicht der Abbruch des Sozialstaates, sondern der Erhalt des Sozialstaates. Wer sich diesen Reformen verweigert, der sägt in Wahrheit an den Grundlagen unseres Sozialstaates."

AfD-Vorsitzende Weidel spricht von "Schlägertruppen" im Bundestag

Auch Tino Chrupalla hatte zuvor Reformen des Sozialstaats angemahnt. 127 Milliarden Euro betrage allein der Zuschuss an die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV), stellte er fest und forderte, dass auch Politiker und Beamte in die GRV einzahlen sollten. Er erhielt zwar Applaus von seiner Fraktion. Aber erst seine Co-Vorsitzende Alice Weidel sorgte später für wirkliche Begeisterung in ihrer Fraktion. Weidel freute sich, dass US-Präsident Donald Trump in seinem Land "die linksextremistische Antifa zur Terrorgruppe erklärt" habe. Ungarn und die Niederlande folgten diesem Beispiel. "Warum nicht Deutschland? Weil hierzulande der organisierte Linksextremismus mit seinen Schlägertruppen seine Sympathisanten überall in diesem Hause hat. Der Vizekanzler Klingbeil bekennt sich ganz offen zur Antifa."

Für ihre Rede erhielt sie aus ihrer Fraktion langen frenetischen Applaus, der teilweise in rhythmisches Klatschen überging. Verärgert über Weidel zeigte sich allerdings Bundestagspräsidentin Julia Klöckner. Sie erteilte der AfD-Co-Vorsitzenden eine Rüge. "Die AfD beschwert sich, dass sie nicht rechtsextrem genannt werden möchte", dürfe dann aber andere Kollegen auch nicht "als linksextreme Sympathisanten und Schlägertruppen" bezeichnen, begründete die Bundestagspräsidentin ihre Maßnahme. Nach weiteren Zwischenrufen erhielt auch der AfD-Abgeordneten Stephan Brandner einen Ordnungsruf.


„Die Staatengemeinschaft musste sich eine Stunde von Donald Trump beschimpfen lassen.“
Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen)

Bereits während der Rede des Bundeskanzlers hatte Klöckner eingegriffen, nachdem es im Plenarsaal immer lauter geworden war, und erklärt: "Jetzt reißen wir uns hier wieder zusammen. Es ist genug reingerufen worden. Ich finde, dass der Respekt jetzt auch gebietet, dem Redner zuzuhören." Kanzler Merz erklärte dazu: "Frau Präsidentin, ich bedanke mich sehr. Aber ganz offen gestanden: Ich halte das aus. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer sind diese Reaktionen aufschlussreicher als mancher Redebeitrag, der von dieser Stelle aus hier geleistet wird."

Die Grünen fordern Steuergeld für Krankenkassen

Nach Merz hatte sich Britta Haßelmann in ihrem Wortbeitrag für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen darüber beschwert, dass Kanzler Merz ihre Partei mit der AfD auf eine Stufe gestellt habe. "Für jemanden, der versprochen hat, die AfD zu halbieren, ist das ziemlich bodenlos", sagte Haßelmann. Ihre Fraktionskollegin Katharina Dröge habe Merz in der Vorwoche mit ihrer Rede "offenbar ins Mark getroffen". Haßelmann rief: "Sie waren es, der von Sozialabbau gesprochen und geredet hat. Nicht wir!" Sozialreformen seien aber nötig, etwa die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen bei den Gesetzlichen Krankenkassen aus dem Bundeshaushalt.

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Haßelmann kritisierte Merz ferner dafür, dass er in Berlin und nicht bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York sei. "Die internationale Staatengemeinschaft durfte sich gestern eine Stunde von Donald Trump beschimpfen lassen. Es gab eine Absage an die internationalen Institutionen, eine Absage an internationale Abkommen, die Leugnung des Klimawandels", beklagte sie. Der Kanzler hätte vor Ort "vehement den Wert der Vereinten Nationen und des Multilateralismus vertreten" sollen.

"Wir wollen Deutschland sicher und gerecht voranbringen", erklärte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch in seiner Rede. Er sage "ganz bewusst 'sicher', 'gerecht' und 'voranbringen', weil wir doch sehen, dass die Menschen hoch verunsichert sind - aufgrund der Weltlage, aber beispielsweise auch aufgrund der Sorge um die Arbeitsplätze".

Reichinnek prangert Mangel an Investitionen in die Daseinsvorsorge an

Kein gutes Haar am Entwurf für den Bundeshaushalt 2026 ließ Heidi Reichinnek für die Fraktion Die Linke. Sie sagte in Richtung von Friedrich Merz: "Sie haben es tatsächlich geschafft, den zweiten Haushalt in Folge vorzulegen, in dem wirklich nichts enthalten ist, was das Leben der Mehrheit der Menschen in diesem Land verbessert: keine Entlastungen, zu wenig Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge, keine Stärkung der sozialen Sicherungssysteme."

Unionsfraktionschef Jens Spahn ging in seiner Rede auf Haßelmanns Kritik zur Anwesenheit des Bundeskanzlers in Berlin statt in New York ein. “Wir sind dem Bundeskanzler dankbar, dass er von Tag eins an Führung aus Deutschland heraus gezeigt hat. Was für ein Theater hätten Sie heute gemacht, wenn er nicht hier gewesen wäre.”

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