Ulrike Schielke-Ziesing im Interview : "Wir müssen extrem konsolidieren"
Die AfD-Politikerin Ulrike Schielke-Ziesing kritisiert die hohe Neuverschuldung und warnt vor steigenden Sozialausgaben. Reformbedarf sieht sie etwa beim Bürgergeld.
Frau Schielke-Ziesing, Ihre Fraktion kritisiert am vorliegenden Haushaltsentwurf vor allem das Ausmaß der Neuverschuldung. Nun ist kaum zu bestreiten, dass ein erheblicher Teil der Infrastruktur in Deutschland marode ist, und auch Ihre Fraktion beklagt, dass die Bundeswehr unzureichend ausgestattet ist. Ist also diese Verschuldung nicht unausweichlich, sofern man nicht die Steuern massiv erhöhen will?
Ulrike Schielke-Ziesing: Das ist nicht unausweichlich. Man kann am Entwurf sehen, dass in vielen Positionen gespart werden kann. Die Koalitionsparteien sind viele Jahre an der Regierung gewesen. Es hätte sehr viel gemacht werden müssen, sie haben es verschlafen und wollen jetzt auf Hauruck über Schulden alles sanieren, um ein blühendes Deutschland hinzustellen.
Aber was sind Ihre Alternativen, beispielsweise im besonders stark wachsenden Verteidigungshaushalt?
Ulrike Schielke-Ziesing: Was passiert denn, wenn die Waffenhersteller sehen, dass da auf einmal ganz viel Geld ist? Sie werden die Waffen dann bestimmt nicht billiger machen, sondern die Preise werden in die Höhe schießen. Es ist doch ein völlig falsches Herangehen, zu sagen, wir haben jetzt ganz viel Geld. Vielleicht sollte man erst mal eine Bestandsaufnahme machen, was wir brauchen, um Deutschland verteidigungsfähig zu machen, und dann einkaufen. Denn sonst kann man seine Ziele nicht erreichen, sondern verschuldet sich enorm.

Ulrike Schielke-Ziesing ist seit 2017 Mitglied des Bundestags. Sie vertritt den Wahlkreis 017 Mecklenburgische Seenplatte II - Landkreis Rostock III. Zuvor war sie bei der Deutschen Rentenversicherung tätig.
Wie sieht es im Sozialhaushalt aus, für den Sie schwerpunktmäßig im Haushaltsausschuss zuständig sind? Der Haushaltsentwurf sieht für verschiedene sozialpolitische Leistungen, zum Beispiel Kindergeld und Kinderzuschlag, eine Steigerung vor.
Ulrike Schielke-Ziesing: Wir sehen Einsparmöglichkeiten auf jeden Fall beim Bürgergeld, da sind wir mittlerweile bei Ausgaben von 52 Milliarden Euro. Der Kinderzuschlag hat sich wahnsinnig entwickelt in den letzten Jahren, auch, weil er erst nicht bekannt war und dann Werbung gemacht wurde, dass Familien diesen Kinderzuschlag auch beantragen. Wenn wir uns die Empfänger von Sozialleistungen angucken, ob das jetzt Bürgergeld ist oder der Kinderzuschlag, dann sehen wir, dass mehr als die Hälfte der Empfänger keine deutschen Staatsbürger sind. Daran muss auf jeden Fall etwas gemacht werden, denn wir können uns so einen Sozialstaat, wie er im Moment ist, in der nächsten Zeit nicht mehr leisten.
Woran machen Sie das fest?
Ulrike Schielke-Ziesing: Wenn wir uns die ganzen Ausgaben für die Sozialsysteme angucken, wenn wir sehen, dass drei von den vier großen Sozialkassen jetzt Kredite brauchen, dann läuft etwas richtig schief im Land. Und das kann man nicht mit Krediten ausgleichen, sondern man muss Reformen in diesen Systemen starten. Bei der Krankenversicherung haben wir unter anderem Riesenkosten für die Bürgergeldempfänger, die nicht ausgeglichen werden. Das können wir uns als Sozialstaat nicht mehr leisten, alle einzubeziehen und darauf zu vertrauen, dass die Versichertengemeinschaft das dann schon auffängt.
„Wo sollen denn die Milliarden noch herkommen? Das können dann nur Kredite sein.“
Im Sozialetat macht der Bundeszuschuss für die Rentenversicherung den Löwenanteil aus, er ist der größte Einzelposten im Haushalt. Ist die Rentenversicherung ein Fass ohne Boden?
Ulrike Schielke-Ziesing: Ein Fass ohne Boden ist sie nicht. Es werden nur immer mehr Leistungen aus diesem System Rentenversicherung bezahlt, für die vorher keine Beiträge geflossen sind, das nennt sich versicherungsfremde Leistungen. Da sind wir bei ungefähr 40 Milliarden Euro im Jahr, die eigentlich aus Steuermitteln ausgeglichen werden müssten. Beispielsweise wurde die Rente mit 63 eingeführt, es sind aber keine zusätzlichen Steuermittel dafür in die Rentenkasse geflossen. Das ist immer eine schöne Sache, wenn Parteien kurz vor einer Wahl noch Geschenke verteilen wollen, die aber nicht auf ihre Kosten gehen. Daher ist die Rentenkasse sehr belastet auch durch diese versicherungsfremden Leistungen. Das wird gerne übersehen, wenn von dem hohen Bundeszuschuss gesprochen wird.
Für das laufende Jahr zeichnet sich eine Milliardenlücke bei der Pflegeversicherung ab, Fachpolitiker fordern, in den laufenden Etatberatungen hierfür noch zusätzliche Bundesmittel freizumachen. Ist das denn überhaupt machbar?
Ulrike Schielke-Ziesing: Wo sollen denn die Milliarden noch herkommen? Das können dann nur Kredite sein. Ansonsten bliebe nur eine Beitragssteigerung. Es steht ja im Raum, Beiträge zur Krankenversicherung zu erhöhen. Die Arbeitslosenversicherung hält sich auch nur mit Krediten über Wasser, normalerweise müssten da die Beiträge auch steigen. Die Beiträge zur Rentenversicherung ziehen auch an. Wir sind aber schon bei einer Sozialabgabenquote von über 40 Prozent. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das dann so funktioniert, wie es normal sein müsste, dass dann die Beiträge erhöht werden. Und Kredite aufzunehmen, um so ein Sozialsystem zu stützen, hat auch keine Zukunft. Wie lange wollen wir das denn fortführen?
Wie sehen Sie die längerfristige Entwicklung der Staatsfinanzen?
Ulrike Schielke-Ziesing: Ich sehe das sehr kritisch. Wir haben jetzt Riesen-Sondervermögen, Riesen-Schulden, die aufgenommen werden, 850 Milliarden. Dadurch haben wir in den nächsten Jahren einen erheblichen Anstieg der Zinslasten. 2024 haben wir 37,5 Milliarden an Zinsen gezahlt, 2021 waren wir noch bei drei Milliarden. Wenn jetzt diese ganzen neuen Schulden aufgenommen werden, sind wir danach bei 70 bis 80 Milliarden nur an Zinsen. Wenn wir ungefähr 450 Milliarden Euro Einnahmen aus Steuern haben und 70 bis 80 Milliarden nur für Zinsen dagegensetzen, dann ist das Wahnsinn. Und da kommt die Tilgung noch dazu. Das Sondervermögen Bundeswehr muss abgebaut werden, die Coronahilfen. Das kommt alles in den Bundeshaushalt, das sind alles Positionen, die sind einfach weg. Das Geld können wir nicht mehr ausgeben. Da sehe ich ein großes Problem, dass wir uns so verschulden, dass wir auf lange Sicht nicht mehr auf einen grünen Zweig kommen können. Deshalb müssen wir im Bundeshaushalt extrem konsolidieren und schauen: Was können wir uns noch leisten als Staat, auch als Sozialstaat, und was nicht mehr. Da ist die Entwicklungshilfe ein Beispiel, wo wir genau hinschauen müssen, was sinnvoll ist und was nicht. Und auch in den Sozialsystemen sind die Ausgaben sehr genau zu überdenken. An Bürgergeldempfänger müssen wir ganz erheblich rangehen, weil das wahnsinnige Kosten sind.
Nun geht der Haushalt über den Sommer in die Ausschussberatung. Sie waren von Ihrer Fraktion für den Ausschussvorsitz nominiert, haben aber, wie auch Fraktionskollegen in anderen Ausschüssen, bei der Wahl keine Mehrheit erhalten. Wie sehr belastet das Ihr Verhältnis zu den Ausschussmitgliedern aus den anderen Fraktionen?
Ulrike Schielke-Ziesing: Das belastet mein Verhältnis nicht. Das ist eine Wahl - entweder man gewinnt oder man verliert. Ich werde normal weiterarbeiten und wahrscheinlich irgendwann noch einmal antreten. Der Haushaltsausschuss ist ein bisschen anders aufgestellt als Fachausschüsse, die etwas ideologischer sind. Wir können sehr gut miteinander reden, und das hat sich auch nicht geändert. Lisa Paus ist jetzt als stellvertretende Vorsitzende gewählt - mit einer Stimme Mehrheit. Das war für sie, glaube ich, auch ein Schock. Ich gehe aber davon aus - auch wenn sie weiß, dass viele im Ausschuss sie nicht gewählt haben -, dass sie das jetzt trotzdem macht. Ich wünsche Lisa Paus jedenfalls viel Glück und Durchhaltevermögen, denn das wird sie bestimmt brauchen mit dem doppelten Pensum dieses Jahr.
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