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500.000.000.000 Euro zusätzliche Schulden : Mehr Effizienz, mehr Bildung, mehr Wachstum

Die Ziele des Sondervermögens seien nicht ausreichend definiert, warnen die Ökonomen Stefan Kolev und Philippa Sigl-Glöckner. Sie fordern höhere Ausgaben für Wissen.

30.07.2025
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4 Min

Endlich mehr Investitionen in Deutschland. Der Bedarf an mehr Mitteln für Schienen, Straßen und Brücken, für die Energiewirtschaft und die digitalen Systeme, für Krankenhäuser und die kommunale Daseinsvorsorge ist unbestritten. Und trotzdem treibt Ökonomen die Sorge, ob Deutschland nun die 500 Milliarden Euro, die die schwarz-rote Koalition für die nächsten zwölf Jahre an zusätzlichen Schulden im Rahmen des Sondervermögens Infrastruktur und Klimaschutz neu aufnehmen will, wirklich gut anlegt.

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"Aus ökonomischer Sicht ist es klug, Kredite für Investitionen aufzunehmen, wenn die zu erwartende Rendite größer ist als der Zins, den wir zahlen müssen", erklärt der Ökonomie-Professor Stefan Kolev, wissenschaftlicher Leiter des Ludwig-Erhard-Forums in Berlin. Doch genau das sei zweifelhaft: "Leider gibt es keine klare Definition, was mit Infrastruktur gemeint ist, auch der Investitionsbegriff ist breit, und so besteht die Gefahr, dass das Geld nicht produktiv in die Volkswirtschaft investiert oder sogar konsumiert wird." 

Kolev sieht die Gefahr, dass die Politik heute Schulden aufnimmt, mit denen eines Tages die junge Generation umgehen und Zins und Tilgung schultern muss, ohne dass dafür hochwertige Infrastruktur entstanden ist.

Auch private Investitionen in die Zukunft müssen steigen

Die schuldenfinanzierte Wette auf die Zukunft geht für ihn nur unter einer Bedingung auf: "Zugleich mit den öffentlichen Investitionsprogrammen müssen auch die Bedingungen geschaffen werden, damit die privaten Unternehmen wieder verstärkt investieren." Seit Langem schon hielten sich die Firmen hierzulande mit Zukunftsausgaben zurück. Dazu kommt: Kapital fließt seit vielen Jahren aus Deutschland ab, und dass Unternehmen Arbeitsplätze nach Deutschland zurückverlagern, sei "noch sehr selten", sagt Kolev.

Foto: picture alliance/dpa

Studierende an der Universität Tübingen: Langfristig setzen vor allem Investitionen in Bildung Impulse für mehr Wirtschaftswachstum, sagt Ökonomin Philippa Sigl-Glöckner.

Auch Philippa Sigl-Glöckner, Ökonomin und Geschäftsführerin der Denkfabrik "Dezernat Zukunft", sorgt sich, ob die Gelder aus dem Sondervermögen richtig investiert werden. Sie fragt: "Was ist eigentlich das übergeordnete Ziel der neuen kreditfinanzierten Ausgaben?" Sigl-Glöckner verweist auf ihre zweijährige Tätigkeit bei der Weltbank: "Bei der Weltbank mussten wir bei jedem Kredit detailliert untersuchen und darlegen, wie der Ertrag aussieht, ob vorher definierte Ziele erreicht wurden." Solche Vorgaben vermisse sie nun.

Ein Ziel, das die schwarz-rote Koalition formuliert hat, ist die Steigerung des Potenzialwachstums der deutschen Volkswirtschaft. Langfristig soll die Wirtschaft wieder im Durchschnitt um ein Prozent pro Jahr wachsen, zuletzt verzeichnete Deutschland eher Null- oder Minuswachstumsraten. "Mittel- bis langfristig setzen den stärksten volkswirtschaftlichen Wachstumsimpuls Investitionen in Bildung, in Kitas und Schulen, in Ganztagesbetreuung und die wissensbasierte Gesellschaft, da ist die Studienlage eindeutig", sagt Sigl-Glöckner.

Volkswirtin Sigl-Glöckner fordert zehn Milliarden Euro für Kitas

Dabei seien die nötigen Beträge überschaubar: Die Ökonomin rechnet vor: "Wenn von den 500 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur zehn Milliarden Euro in Kitas flössen, hätte das mittel- und langfristig einen beträchtlichen volkswirtschaftlichen Effekt." 


„Ohne bessere Bildung, die zu mehr Wachstum führt, wird Deutschland auch fiskalpolitisch immer stärkere Probleme bekommen.“
Ökonomin Philippa Sigl-Glöckner

Kitas stehen am Beginn des Bildungsweges. Zehntausende junge Menschen beenden jährlich die Schule ohne Abschluss, auch, weil sie als Kinder die deutsche Sprache nicht richtig gelernt und damit wenig Chancen im Schulsystem haben. "Zugleich herrscht ein Mangel an qualifizierten Fachkräften, das zeigt die Misere", sagt Sigl-Glöckner.

Ungelöstes Ordnungsproblem im Bereich Bildung

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Allerdings ist Bildung primär Sache von Ländern und Kommunen. Die bekommen zwar 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen, wofür sie dieses Geld ausgeben, kann der Bund aber nicht festlegen. Für den Bund selbst ist Bildung im Prinzip tabu. Ökonom Kolev warnt: "Es wäre sinnvoll, dauerhaft mehr Geld in Bildung zu investieren, aber wir haben ein ungelöstes Ordnungsproblem. Wenn der Bund den Ländern neues Geld für Bildung gäbe, bestünde die Gefahr, dass die Länder bisher geplante Ausgaben senken und die neuen Gelder als Verschiebebahnhof nutzen. Falls der Bund dauerhaft in Bildung investieren will, sollte er Ordnungsformen wie etwa neue Bundesuniversitäten in Erwägung ziehen."

Drohen am Ende also nur neue Schulden, aber kein Wachstum? "So schwarz würde ich nicht malen", sagt Sigl-Glöckner. Auch von einer besseren Verkehrsinfrastruktur gingen positive Impulse für die Wirtschaft aus, nur sei die Frage, wie hoch und dauerhaft diese seien.

Und trotz der neuen Schulden blieben die Zahlungen für Zinsen und Tilgung in Deutschland volkswirtschaftlich wohl verkraftbar. Dennoch warnt die Ökonomin: "Ohne Wachstum schrumpfen die Spielräume im Bundeshaushalt immer weiter." Die "fungible Masse", also die Ausgaben, über die der Bundestag frei entscheiden könne und zu denen der Bund nicht gesetzlich verpflichtet sei, werde von derzeit 18 auf nur noch drei Prozent im Jahr 2035 schrumpfen. "Ohne bessere Bildung, die zu mehr Wachstum führt, wird Deutschland auch fiskalpolitisch immer stärkere Probleme bekommen", warnt Sigl-Glöckner.

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