
Wirtschaftspolitischer Rückblick : Über Energie, Finanzen und Haushalt wurde viel gestritten
Die Ampel hatte sich viel vorgenommen im Bereich der Wirtschaftspolitik. Einiges wurde umgesetzt, anderes blieb liegen, gestritten wurde viel.
Inhalt
Die Ampelkoalition hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag eine ambitionierte wirtschafts- und transformationspolitische Agenda vorgenommen. Einig waren sich SPD, Grüne und FDP in der konkreten Umsetzung allerdings häufig nicht. Insbesondere das Gebäudeenergiegesetz und der Haushalt sorgten für Streit.
Wirtschaft: Durchbruch bei Freihandel und ein neues Postgesetz
Die Europäische Union und Brasilien, Argentinien, Uruguay sowei Paraguay haben im Dezember 2024 das Mercosur-Freihandelsabkommen abgeschlossen. Damit enden 25 Jahre währende Verhandlungen. Die Mehrheit im Bundestag begrüßte die Einigung. Wichtigste Ziele sind der stufenweise Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen, Handelsliberalisierung mit Drittstaaten sowie die Schaffung eines gemeinsamen Außenzollsystems und die Koordinierung der Wirtschaftspolitik. Kritiker aus Landwirtschafts- sowie Umweltverbänden befürchten negative wirtschaftliche, ökologische und soziale Auswirkungen.
Nach dem Abschluss der Verhandlungen werden die Texte für das Abkommen juristisch geprüft und in die Sprachen der Vertragsstaaten übersetzt. Danach muss die EU-Kommission eine Entscheidung darüber treffen, ob es als Ganzes oder in zwei Teile aufgeteilt den Mitgliedstaaten zur Abstimmung vorgelegt wird. Das Europäische Parlament muss zustimmen. Eine Entscheidung dazu wird frühestens in der zweiten Hälfte dieses Jahres erwartet.
Seit Anfang 2025 ist das Postrechtsmodernisierungsgesetz in Kraft. Damit sollen die Arbeitsbedingungen für Paketboten verbessert werden. Für Verbraucher bedeutet die Reform jedoch, dass sie künftig länger auf ihre Post warten müssen. Bislang mussten mindestens 80 Prozent der Briefsendungen in Deutschland am folgenden Werktag ausgeliefert werden, 95 Prozent mussten nach zwei Werktagen beim Empfänger ankommen. Künftig sollen Standardbriefsendungen zu 95 Prozent am dritten Werktag nach Einwurf und zu 99 Prozent am vierten Werktag den Empfänger erreichen.
Energie: Der "Heizungshammer" sorgt für Ärger
Gerade noch als erfolgreicher Stratege im Umgang mit der Energiekrise gefeiert, erlebte Klimaschutz- und Energieminister Robert Habeck (Grüne) mit dem Heizungsgesetz ein Fiasko. Das kam so: Als SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP 2021 sich als Ampelregierung an die Arbeit machten, gehörte eine Novelle des von der Vorgängerregierung 2020 verabschiedeten Gebäudeenergiegesetzes zu den Vorhaben, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurden; "Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden", heißt es darin. Als ein Jahr später der Krieg in der Ukraine die Gaspreise hochtreibt, will die Ampel die Novellierung auf den 1. Januar 2024 vorziehen.

Hektik im Sommer 2023: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bringt sein Gebäudeenergiegesetz in den Bundestag ein. Später sollte es den Anfang vom Ende der Ampelkoalition darstellen.
Anfang 2023 aber wurde der unfertige Gesetzentwurf durchgestochen. Die mediale Aufregung ist riesig, die inner-koalitionäre Stimmung auf einem Tiefpunkt. Es folgt ein monatelanger, teils erbitterter Streit zwischen vor allem Grünen und FDP und eine hitzige öffentliche Debatte über den "Heizungshammer". Die Opposition kritisiert vor allem zu niedrige Fördersätze und mangelnde Technologieoffenheit.
Als der Gesetzentwurf rasch noch vor der Sommerpause 2023 vom Bundestag beschlossen werden soll und die größten Uneinigkeiten ausgeräumt sind, verhindert das Bundesverfassungsgericht die Abstimmung. Es gibt dem Eilantrag des Bundestagsabgeordneten Thomas Heilmann (CDU) statt, der seine Rechte als Abgeordneter wegen zu kurzer Beratungszeit verletzt sieht. So wird die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes schließlich im September nach der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet. Das monatelange Gezerre hat ein Ende: Die Ampel aber sollte sich von den internen Auseinandersetzungen nie mehr richtig erholen.
Steuern: Entlastung für die Bürger, aber weniger für die Firmen
Sieg über die Kalte Progression: Ein breites Bündnis über die Regierungsfraktionen hinaus hat in der zu Ende gehenden Wahlperiode immer wieder dafür gesorgt, dass im Zuge der Inflation die Bürger nicht einen immer größeren Teil ihres Einkommens über Steuern an den Staat abgeben müssen. Mit dem Inflationsausgleichsgesetz, dem Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 und dem gekürzten Steuerfortentwicklungsgesetz wurden die Steuerzahler nominal entlastet, reale Belastungen wurden vermieden.
Wenig Entlastung gab es dagegen für Unternehmen. Zwar wurden mit dem Wachstumschancengesetz und dem Zukunftsfinanzierungsgesetz einige Rahmenbedingungen für Firmen und Investitionen verbessert. Aber insbesondere eine Maßnahme, die in der Wissenschaft als besonders wirkungsvoll gilt, um Anreize für private Investitionen zu setzen, ohne den Staatshaushalt zu sehr zu belasten, blieb auf der Strecke: die im Koalitionsvertrag der Ampel eigentlich vereinbarte Super-Abschreibung. Die schaffte es auch nicht als Klimaschutz-Investitionsprämie ins Gesetzesblatt, wie von der Ampelkoalition zunächst mit dem Wachstumschancengesetz beschlossen, sondern scheiterte im Bundesrat.
Trotzdem schrieb der Bundestag in gewisser Weise historische Steuergeschichte: Er setzte die 2021 international vereinbarte globale Mindeststeuer in deutsches Recht um, der sich 141 Staaten angeschlossen haben. Alle Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz müssen künftig mindestens 15 Prozent an Steuern auf ihre Gewinne zahlen. Ein großer Schritt zu globaler Steuergerechtigkeit? Ein Beweis, dass auch in diesen Zeiten internationale Zusammenarbeit funktioniert? Die Euphorie wird gedämpft, da mit den USA die größte Wirtschaftsnation des Planeten unter ihrem neuen Präsidenten Donald Trump aus dem Abkommen wieder aussteigen will.
Haushalt: Zankapfel und Untergang der Ampelkoalition
Die Haushaltspolitik war von Anfang an ein Zankapfel in der Ampelkoalition - und letztlich ihr Untergang. Während SPD und Grüne sich grundsätzlich eine flexiblere Schuldenpolitik vorstellen konnten, hielt die FDP an der Schuldenbremse des Grundgesetzes fest.
Um diesen wesentlichen Unterschied zu übertünchen, entschlossen sich die Neu-Koalitionäre Ende 2021, einen noch unter Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ausgeheckten Buchungstrick in die Tat umzusetzen. Sie überführten nicht benötigte Kreditermächtigungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in den Klima- und Transformationsfonds. Mit diesen 60 Milliarden Euro sollte die ambitionierte Transformationsagenda bezahlt werden.
Doch das Bundesverfassungsgericht machte der Ampel einen Strich durch die Rechnung. Es erklärte den Nachtragshaushalt 2021 für nichtig, die 60 Milliarden Euro waren futsch - und die Etatplanung der Koalition hinüber. Zwar gelang es SPD, Grünen und FDP noch, einen Haushalt für 2024 zu verabschieden. Der Haushalt 2025 stellte sich dann aber als zu herausfordernd für die drei Koalitionspartner heraus.
Landwirtschaft: Tierhaltungskennzeichen für Schweinefleisch
In seiner allerersten Rede als Bundeslandwirtschaftsminister hatte Cem Özdemir (Grüne) den umfassenden Veränderungsbedarf in der Agrarpolitik betont. "Das derzeitige System lebt auf Kosten der Tiere und der Landwirte und produziert nur Verlierer", sagte er am 14. Januar 2022 im Bundestag. Doch die Bilanz blieb hinter den Erwartungen zum Umbau der Tierhaltung zurück.
Im Juni 2023 wurde das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz beschlossen, allerdings nur bezogen auf frisches Schweinefleisch. Seit August 2023 gilt das verbindliche Tierwohllabel für unverarbeitetes Schweinefleisch, sodass der Verbraucher an der Ladentheke feststellen kann, wie das Tier gehalten wurde. Das Fleisch ist mit den fünf Haltungsstufen Stall, Stall und Platz, Frischluftstall, Auslauf/Weide und Bio gekennzeichnet. Die Pläne, schrittweise weitere Bereiche wie Gastronomie und Außer-Haus-Verpflegung sowie Tierarten wie Rinder und Geflügel in das Vorhaben einzubeziehen, scheiterten nicht nur am Aus der Ampelregierung, sondern vor allem daran, dass sich die Koalitionspartner selten einig waren.
Auf Initiative der Ampelkoalition setzte der Bundestag im Mai 2023 erstmals einen Bürgerrat ein. Die zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürger befassten sich mit dem Thema “Ernährung im Wandel". Ergebnisse und Forderungen ihrer Arbeit stellten sie im Frühjahr 2024 vor, umgesetzt wurde davon aber praktisch nichts.
Verkehr: Deutschlandticket und marode Brücken
Das Deutschlandticket darf die Ampel-Regierung auf der Habenseite verbuchen. "Mit einem Ticket bequem durch ganz Deutschland reisen - und das für monatlich nur 49 Euro", lautete der Slogan. Gut, inzwischen kostet das Ticket 58 Euro. Und von ganz bequem kann angesichts überfüllter Nahverkehrszüge auch nicht immer die Rede sein. Dennoch: Die hohen Nutzerzahlen sprechen für eine Fortführung des Tickets, dessen Finanzierung über 2025 hinaus aber ungewiss ist.

Vor der Sprengung: Die Rahmeder Talbrücke in Lüdenscheid wurde kurz nach Wissings Amtsantritt wegen Einsturzgefahr gesperrt und befindet sich seitdem im Neubau.
Sorgen machten Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos) die maroden Autobahnbrücken. Wenige Tage nach seinem Amtsantritt musste die viel befahrene Rahmedetalbrücke auf der Bundesautobahn A45 wegen Einsturzgefahr gesperrt werden - mit gravierenden Folgen für die ganze Region Lüdenscheid. Die Bundesregierung antwortete darauf mit einem Brückensanierungsprogramm. 4.000 Brücken auf besonders belasteten Autobahnabschnitten sollten ursprünglich bis 2030 - inzwischen bis 2032 - modernisiert werden. Während das Verkehrsministerium betont, dabei gut voranzukommen, hält unter anderen der Bundesrechnungshof die Zielstellung für nicht erreichbar.
Umwelt: Natürlicher Klimaschutz und Klimaanpassung
Es sei die größte Förderung für Natur und Klima, die es in Deutschland je gegeben habe, lobte Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) das im Koalitionsvertrag vereinbarte und im März 2023 beschlossene Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK), mit dem die Ampel vier Milliarden Euro bis 2026 in die Renaturierung unter anderem von Mooren, Auen und Wäldern investieren wollte. Doch die Mittel flossen nur schleppend ab, dann stand das Vorhaben durch die Haushaltskrise kurz vor dem Aus. Vor dem Ampel-Aus verständigten sich die Koalitionäre auf 3,5 Milliarden Euro bis 2028 für das ANK.
Zum 1. Juli 2024 trat zudem das Bundes-Klimaanpassungsgesetz in Kraft, das Bund, Länder und Kommunen verpflichtet, eigene Anpassungskonzepte zu erarbeiten. Ein im September 2024 angekündigtes Hochwasserschutzgesetz versandete dagegen in der Ressortabstimmung. Die lang erwartete Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie beschloss die Rumpf-Ampel noch eilig im Dezember.
Bauen: Neubauziele gerissen, Wohngeld-Plus eingeführt
Ihr Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, hat die Ampelkoalition deutlich verfehlt. Anreize dafür, schneller und mehr Wohnungen zu bauen, blieben aus. Stattdessen einigte sich die Ampel auf die Erhöhung des Wohngeldes.
Seit Januar 2023 ist das Wohngeld-Plus-Gesetz in Kraft. Damit will die Bundesregierung Haushalte mit niedrigeren Einkommen stärker bei steigenden Wohnkosten - durch hohe Energiekosten und energieeffiziente Sanierung - unterstützen. 1,4 Millionen Haushalte anstatt bislang 600.000 Haushalte haben nun einen Wohngeldanspruch. Der Wohngeldbetrag wurde von 180 Euro auf rund 370 Euro pro Monat erhöht.
Digitales: Fortschritte bei Netzausbau und Plattformregulierung
Minister Wissing kündigte gleich zu Beginn der Legislaturperiode an, Digitales großzuschreiben: Im Namen des Ministeriums rückte das Digitale an erste Stelle. Fortschritte gab es sodann beim Ausbau der Mobilfunk- und Breitbandnetze. Diesem hatte der Minister mit der Gigabitstrategie höchste Priorität eingeräumt. Die gute Ausbaudynamik bescheinigte neben dem Fortschrittsbericht des Digitalministeriums auch die Europäische Kommission in ihrem Bericht zur "Digitalen Dekade". Und das, obwohl nach dem Bruch der Ampelkoalition das lange verhandelte Telekommunikations-Netzausbau-Beschleunigungsgesetz aller Voraussicht nach nicht mehr kommen wird. Damit sollten Genehmigungsverfahren verkürzt, Bürokratie abgebaut und das Ausbautempo weiter erhöht werden.
Eine kleine Verbesserung für Verbraucher gab es Ende 2024 beim Recht auf "schnelles" Internet, wonach Haushalte in Deutschland nun mit mindestens 15 Megabit pro Sekunde im Download surfen können - fünf Megabit mehr als bisher. Der Upload stieg von 1,7 auf 5 Megabit, eine Verdreifachung.
Zwar nicht fristgerecht, aber nach langen Verhandlungen beschloss der Bundestag Ende März 2024 mit dem Digitale-Dienste-Gesetz die Umsetzung des Digital Services Act (DSA) in nationales Recht. Der DSA gilt seit 17. Februar 2024 und überträgt geltende Gesetze auf Online-Plattformen. In Deutschland nimmt seitdem die Bundesnetzagentur Verbraucherbeschwerden bei Verstößen entgegen. Schuldig geblieben - obwohl von der Opposition immer wieder angemahnt - ist die Bundesregierung Umsetzungsgesetze für den europäischen Data Act und den AI Act.