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Im späten 19. Jahrhundert wird Deutschland zur imperialen Macht in Afrika und Asien
Der Außenminister triumphiert: Soeben hatte ein Landungskorps der kaiserlichen Marine die Kiautschou-Bucht besetzt - es ist der Auftakt für die Inbesitznahme an der chinesischen Ostküste. Bernhard von Bülow wendet sich in seiner Rede im Reichstag im Dezember 1897 indes nicht an China, adressiert werden vielmehr die europäischen Nachbarn. "Wir empfinden auch durchaus nicht das Bedürfnis,…
Europäische Mächte rechtfertigten ihre Eroberungen mit einem selbst erteilten Zivilisationsauftrag
1879 kursierte unter deutschen Bankiers, Intellektuellen, Geschäftsleuten und Militärs die Schrift eines gewissen Friedrich Fabris: Unter der rhetorisch formulierten Frage: "Bedarf Deutschland der Kolonien?" machte sich der Direktor der Rheinischen Mission in Barmen Gedanken über die Expansion des Deutschen Reiches, das er zur "Cultur-Mission" geradezu berufen sah. "Die Zeiten, in denen…
Bei der Niederschlagung afrikanischer Widerstandsbewegungen in den deutschen Kolonien waren extremer militärischer Gewalt keinerlei Grenzen gesetzt
In zwei großen Kolonialkriegen schlug das deutsche Kaiserreich in Afrika Widerstandsbewegungen nieder: von 1904 bis 1907 in Deutsch-Südwestafrika - dem heutigen Namibia - sowie von 1905 bis 1908 in Deutsch-Ostafrika, das etwa das Gebiet der heutigen Staaten Tansania, Burundi und Ruanda umfasste. Beide Kriege wurde von Seiten der deutschen Truppe mit großer Brutalität gegen die einheimische…
Abgeordnete rückten Missstände der deutschen Kolonialpolitik ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die Debatten stärkten auch den Einfluss des Parlaments
Im Februar 1894 erschien der Sozialdemokrat August Bebel mit einer "Nilpferdpeitsche" im Reichstag. Mit ihr veranschaulichte er seinen Vorwurf, dass deutsche Kolonialbeamte brutal nackte Afrikanerinnen blutig auspeitschen ließen. Auch andere Abgeordnete griffen nun Zeitungsmeldungen auf, die über harte Körperstrafen und den sexuellen Missbrauch von Afrikanerinnen berichtet hatten. Damit…
Der Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia ist bis heute nicht aufgearbeitet. Der Regierungsdialog zieht sich seit vier Jahren hin, bei den Nachfahren schwindet die Geduld
Sima Luipert steht mit den Füßen im Sand, den Blick für ein Foto ernst in die Kamera gerichtet. Rund um ihre Schuhe ragen Gesichter aus Ton aus der Erde, sie sehen aus wie Totenmasken. "Der Völkermord an den Herero und Nama wurde lange geleugnet. Das muss aufhören", sagt sie leise, während sie behutsam um die Köpfe herumläuft, die eine Künstlerin aus Namibia in der Berliner Akademie der…
Mehr als 10.000 afrikanische Männer standen im Ersten Weltkrieg im Sold der deutschen Truppen. Nach dem Krieg blieben sie entwurzelt zurück
Die Erinnerung ist klein, quadratisch und schimmert golden. Es ist ein "Stolperstein" des Künstlers Gunter Demnig, eingelassen in das Pflaster vor der Brunnenstraße 193 in Berlin-Mitte, der dort auf Mahjub bin Adam Mohamed hinweist - besser bekannt als Bayume Mohamed Husen. Geboren 1904 in der Hafenstadt Daressalam, heute Tansania, zu jener Zeit aber Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika,…
Postkoloniale Theorien behandeln die Langzeiteffekte der kolonialen Vergangenheit. Diese ist auch in Deutschland präsent
Ihr erstes Seminar zum Postkolonialismus gab Ina Kerner vor 15 Jahren. Die Professorin für Dynamiken der Globalisierung, die heute das Institut für Kulturwissenschaften der Universität Koblenz-Landau leitet, ist Expertin für die hartnäckigen Langzeiteffekte des europäischen Kolonialismus. Damals sei ihr der Vorwurf begegnet, postkoloniale Studien seien für die hiesige Wissenschaftslandschaft…
Das Fach leidet an der eigenen Geschichte. Inzwischen stehen soziokulturelle Dynamiken im Fokus
Wenige Fächer an deutschen Universitäten sind so sehr aus dem politischen Zeitgeist entstanden und leiden gleichzeitig vergleichbar stark unter ihrer Historie wie die Ethnologie. Heute bewerben Hochschulen den Studiengang damit, die Ethnologie sei eine "empirische und vergleichende Wissenschaft" und erforsche "die Vielfalt kollektiver menschlicher Lebensweisen". Nicht immer gab es diesen…
Was tun mit Straßennamen, die Täter ehren, und Begriffen, die als abwertend empfunden werden? Zur Aufarbeitung der Kolonialzeit gehört auch diese Diskussion
Der bleigraue Himmel über Berlin passt zum Thema, über das Mnyaka Sururu Mboro heute Vormittag referiert. Mboro, wie sich der leicht gebückt stehende Mann mit den kurzgeschorenen grauen Haaren nennt, stützt seinen Körper auf einen kunstvoll gedrechselten Gehstock und zeigt mit der Hand auf ein Straßenschild. Darauf steht "Petersallee". Davor haben sich zwei Dutzend Schüler versammelt. Seine…
Soll es in Berlin ein zentrales Denkmal für die Opfer des Kolonialismus geben oder einen »Raum der Stille« im Humboldt-Forum - oder beides?
Im Sommer 2019 jährte sich zum 100. Mal ein ganz besonderer Protest. Denn was Martin Dibobe, der erste schwarze Zugführer der Berliner Hochbahn, und seine Mitstreiter 1919 forderten, war keine Petitesse: In dem als "Dibobe-Petition" bekanntgewordenem Manifest verlangten Dibobe und seine 17 Mitstreiter gleiche Rechte für Deutsche und Afrikaner in Deutschland, einen eigenen afrikanischen…
Das Humboldt Forum und die Debatte über den Umgang mit Sammlungen aus kolonialen Kontexten
Im November 2017 kündigt der neu gewählte französische Präsident Emmanuel Macron während einer Rede in Burkina Faso an, sein Land werde binnen fünf Jahren alle während der Kolonialzeit geraubten Artefakte zurückgeben - das afrikanische Erbe dürfe kein Gefangener europäischer Museen sein. In Deutschland versetzt Macrons Vorstoß die betroffenen Institutionen für ein paar Wochen in eine…
Die Erforschung ist teuer und mühselig
"Provenienzforschung" lautet das Zauberwort in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion über den Umgang mit Sammlungen aus kolonialen Kontexten. Doch die Klärung der Frage, ob all die Kulturgüter oder menschlichen Überreste rechtlich und moralisch einwandfrei erworben wurden und wie sie in deutsche Museen gelangten, ist eine aufwendige wissenschaftliche Detektivarbeit, die die Museen…
Die Leiterin des Bremer Übersee-Museums wirbt für einen differenzierten Umgang mit Sammlungen aus kolonialen Kontexten. Restitution allein könne nicht die Antwort sein Frau Professor Ahrndt, in Deutschland wird derzeit eine intensive Diskussion über den Umgang mit Museumssammlungen aus kolonialen Kontexten geführt. Nach der Debatte über den Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenen…
Die deutsche koloniale Vergangenheit wird im täglichen Bewusstsein oft als Gegebenheit hingenommen
Mitte November hatte das Goethe-Institut in Kameruns Hauptstadt Jaunde eine Kulturwoche unter dem Motto "The Burden of Memory" zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte veranstaltet. Die Bühne und der öffentliche Raum gehörten in dieser Zeit vielen afrikanischen Künstlern, Performern und Historikern. Die einzelnen Veranstaltungstage trugen Überschriften wie "Last", "Erinnerung",…
Kolonialkritische Töne kommen im Schulunterricht zu kurz, sagt Schulbuchforscher Lars Müller
Herr Müller, inwiefern kommt das Thema "Deutschlands koloniales Erbe" in den Schulbüchern und Fächern in Deutschland vor? Das Thema Imperialismus ist seit der Gründung der Bundesrepublik fester Bestandteil des Geschichtsunterrichts in allen Bundesländern. Es wird in der Regel zusammen mit dem Ersten Weltkrieg behandelt und beginnt mit der "Aufteilung" des afrikanischen Kontinents und den…
Übergeordnete Interessen prägen das Verhältnis Deutschlands zu seinen Ex-Kolonien in Afrika
Für Angela Merkel (CDU) war es einer der angenehmeren Termine: Mitte November empfing die Bundeskanzlerin sieben afrikanische Staatschefs zum Afrikagipfel in Berlin. Es war bereits die dritte Afrikakonferenz ihrer Amtszeit. Dabei war Afrika für die deutsche Außenpolitik bis vor wenigen Jahren eine Randzone - von der Entwicklungspolitik abgesehen. Aus Berliner Sicht waren ansonsten eher die…
Deutsche Kommunen unterhalten Kontakte zu ehemaligen Kolonien in Afrika
Jenseits der großen Politik sorgen oftmals kommunale Kontakte zwischen verschiedenen Ländern für multikulturelle Freundschaft, Respekt und Verständnis. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs, der für Deutschland im materiellen und moralischen Desaster endete, waren es auch einfache Städtepartnerschaften, die eine neue Annäherung und Aussöhnung möglich machten. Was sich zunächst auf Kontakte mit…
Der deutsche Einfluss ist auch heute noch überall spürbar
Auch wenn so manche Erinnerung an die deutsche Zeit in Namibia bröckelt: Die Hans-Dietrich-Genscher-Straße in Windhoek, an der die Zentrale der Regierungspartei Swapo liegt, wird bleiben. In keinem anderen Land Afrikas, wohl auch in keiner anderen ehemaligen Kolonie, sind die Spuren der gut drei Jahrzehnte, in denen das Deutsche Reich Deutsch-Südwestafrika beherrschte, deutlicher und…
Zum kolonialen Postwesen gehörten auch eigene Briefmarken
Die deutsche Kolonialzeit hat neben den städtebaulichen auch kleine Spuren hinterlassen: Briefmarken. Die kleinen Papierschnipsel mit Motiven und Wertaufdruck waren und sind im Postverkehr unerlässlich, und auch für die deutsche Kolonialverwaltung war der Aufbau einer Postverwaltung äußerst wichtig, um die Kommunikation in Gang zu bringen und um den Aufbau einer Wirtschaft in dem großen Land…
Der Einfluss von Missionsschulen wirkt noch nach
"Du laufen geht wo?" Das ist kein verunglückter Satz eines Schülers, der gerade angefangen hat, Deutsch zu lernen. Es ist auch kein Kiezdeutsch, das man in deutschen Großstädten hören kann, sondern ein Satz aus einer anderen Sprache. Sie wird viele Tausend Kilometer von Deutschland entfernt gesprochen, in Papua Neuguinea und in Australien. Ihre Sprecher nennen es zwar Falsche Deutsch,…